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g[ HERKUNFT UND JUGEND

elten hat eine Künstlerfamilie sich so fruchtbar entfaltet wie die Cra-
nachs im sechzehnten Jahrhundert. Vier Generationen von Malern
folgten unmittelbar aufeinander. Über hundert Jahre Wirksamkeit
sind zu erschließen. Ihr Jahrhundert ist bis auf das letzte Jahrfünft
von ihrer Tätigkeit erfüllt gewesen; allerdings sinkt die Gestalt des
1595 gestorbenen Augustin Cranach in nicht recht greifbares Mittel-
maß zurück. Diese Beständigkeit in einer Zeit bedeutender Verände-
rungen setzt Geschmeidigkeit und ein bestimmtes Maß materieller
Sicherheit voraus. Das Werk der Familie unter dem Zeichen der geflügelten Schlange ist sicher-
lich nur zum Teil als ein Ergebnis der spontanen Entfaltung von künstlerischen Kräften
anzusehen. Das auf Dürer gemünzte Goethewort von dem trefflichen Künstler, der sich durch-
gängig aus sich selbst erklären läßt [8], hilft selbst bei der Beurteilung scheinbar selbständiger
Leistungen in diesem Zusammenhang wenig. Immer scheinen die äußeren Triebkräfte sehr
stark, die vollständig nur durch gründliche Erforschung der Umstände erfaßt werden kön-
nen. Es ist an einzelnen Stellen deutlich, wie bei großer geistiger Beweglichkeit die Gefahr
der Auslieferung an äußere Ansprüche zunimmt.

Die Herkunft der Familie ist dunkel. Der ursprüngliche Name ist nicht deutlich überliefert.
Er könnte Sunder gelautet haben [9], wodurch die Dunkelheit der Überlieferung erklärbar
würde. Ein solcher Name hielt die Erinnerung an eine Gewalttat fest. Er konnte eine Brand-
markung bedeuten, der man zu entgehen suchte [10]. Den Vater Lucas Cranachs bezeichnen
die Quellen nach seinem Beruf als Hans Maler. Er war nach Kronach zugewandert, vermut-
lich aus bayerischem Sprachbereich. [11] Da es heißt, daß er Lucas unterrichtet hat, war er
gewiß künstlerisch tätig, vielleicht als Zeichner für den Holzschnitt. Man wüßte gern, durch
welche Aufträge er seine Familie ernähren konnte und imstande war, ein ansehnliches Haus
Seite 417 am Marktplatz zu erwerben. [12] Die ausgezeichnete Lage des Besitztums verrät Selbst-
bewußtsein und einen Sinn für öffentliche Wirkung, der bei den späteren Cranachhäusern in
Seite 418 Wittenberg, Weimar, Gotha und wohl auch in Coburg ähnlich hervortritt. [13]

Die Stadt Kronach in Oberfranken hat das Gepräge eines festen Zufluchtortes. Mit der
großen Veste Rosenberg, die ursprünglich wohl den Keim der Ansiedlung gebildet hatte, war
sie ein wichtiger Stützpunkt der Landesverteidigung nahe der sächsischen Grenze. Auch für
damalige Verhältnisse eine Kleinstadt, stand sie im Territorium der Bischöfe von Bamberg an
dritter Stelle hinter den Städten Bamberg und Forchheim. [14] Als Auftraggeber Hans Malers
kommen in erster Linie die bischöflichen Landesherren in Betracht, von denen einer in spä-
terer Zeit ein Förderer Dürers gewesen ist. Bamberg hatte für den frühen Buchdruck eine
gewisse Bedeutung, weil hier der Verleger Albrecht Pfister 1461 und 1462 die ersten mit Holz-
schnitten illustrierten Bücher herausgebracht hatte.

Lucas Cranachs Mutter Barbara schenkte mehreren Kindern das Leben, starb aber bereits
vor 1495. Damals lebten zwei Söhne und drei Töchter, andere Geschwister waren, wie viel-
leicht auch die Mutter, durch eine Seuche umgekommen. [15] Lucas wurde im Jahre 1472
geboren. Das Datum ist nicht überliefert. Wenn die Inschrift auf dem bekannten Florentiner
Bildnis den Zeitpunkt des Abschieds von Wittenberg genau festhält, dann kommen dafür die
Monate Juli bis Mitte Oktober in Betracht. [16] Nach dem Tode der Mutter scheint Lucas den
Geschwistern gegenüber in eine vormundähnliche Stellung hineingewachsen zu sein. Er war

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