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Vielleicht noch aus den Kronacher Jahren, in denen selbständiges Schaffen außer Zweifel
Tafel 2 steht, stammt ein Holzschnitt des gekreuzigten Christus zwischen Maria und Johannes, ein
Kanonblatt: bildgewordenes Gebet im Zusammenhang der Meßbücher, die die einzelnen
Bischofssitze für die Gottesdienstordnungen herausgaben. [29] Auf diesem Blatt ist vieles neu-
Seite 422 artig, die Landschaft, der Wolkenhimmel, die Verbindungen durch Gewandsträhnen. Das
Motiv des Johannesmantels, den ein Sturmwind fortträgt und um den Kreuzstamm schlagen
läßt, prägt sich tief ein. Dabei bestehen noch Unvollkommenheiten darin, daß die Zeichnung
nicht den Möglichkeiten des Holzschnittes angepaßt ist. Von dem Druck sind bisher vier
Exemplare bekannt geworden, koloriert und meist auf Pergament ausgeführt. [30] Ein ein-
ziges Blatt fand sich in originaler Verwendung. Es ist vor dem Jahr 1504 anstelle eines aus-
drucksschwachen älteren Holzschnittes in das 1494/95 bei Georg Stuchs in Nürnberg ge-
druckte Missale Cracowiense eingeklebt worden. [31] Hierin dürfte der Hinweis auf eine frühe
Verbindung Cranachs zu Nürnberg erkennbar sein, zumal da der Künstler 1508 im Dienste
des gleichen Verlegers tätig war.

|" CRANACH UND DÜRER

Über einen Aufenthalt Cranachs in Nürnberg vor dem Jahre 1505 schweigen die Quellen.
Eine unmittelbare Begegnung mit Albrecht Dürer läßt sich erst spät nachweisen: durch Cra-
Seite 41) nachs von Dürer gezeichnetes Bildnis von 1524. [32] Wenn Cranach in den überlieferten
Äußerungen Dürers nicht erscheint, Dürer in den spärlichen Briefen Cranachs nicht erwähnt
ist, so haben sich beide seit früher Zeit doch vermutlich gekannt. Ein Ausweichen vorein-
ander war später bei der großen Zahl gemeinsamer Bekannter undenkbar. Eine Freundschaft
entstand unter so günstigen Bedingungen jedoch nicht. Es blieb zwischen den beiden fast
gleichaltrigen Meistern ein Abstand, der besonders für den lebhaft aufgeschlossenen Cranach
heilsam gewesen sein wird.

Cranach ist sehr früh und stark von Dürers großen Holzschnitten beeindruckt worden und
hat sich mit verschiedenen Kupferstichen und Gemälden des Nürnbergers auseinandergesetzt.
Von Cranachs Seite aus hatte die Auseinandersetzung streckenweise das Gepräge eines ver-
bissenen, nie ausdrücklich eingestandenen Wettstreites. Nachahmungen oder weitgehende
Entlehnungen wurden dabei vermieden; wo sie später mit einflössen, waren besondere Be-
stellerwünsche im Spiel. [33] Das Eingehen Cranachs auf Dürer ist zunächst in den großen
Formaten und in der großen Auffassung einiger Holzschnitte zu fassen. Der Meister betrat
hier ungewohnten Boden, was notwendigerweise die Übernahme verschiedener Bildmotive
nach sich zog. Es entwickelte sich ein von Cranach mit Geschick betriebener Wetteifer in
Bildwirkungen. Nie gelangte er dazu, sein Werk nach Dürers Vorbild auf den Grund redlich
erworbener Erfahrung zu stellen. Die Gabe der Treffsicherheit in bezug auf Nachahmung und
Sinnestäuschung, die er besaß, war tieferem Studium geradezu im Wege. Abgesehen von den
theoretischen Bemühungen Dürers, denen Cranach fremd gegenüber gestanden haben muß
[34], tritt der Unterschied im Verhältnis zu Zeichnung und Kupferstich, zwei Bereichen, aus
denen Dürer in besonderem Maße zu schöpfen verstand, deutlich zutage. Manche Wen-
dungen in Schriften Dürers gegen die Wildheit und geringe Schulung der deutschen Maler
mögen auf Cranach zutreffen [3 5], dessen Abneigung gegen erlernbare perspektivische Kon-
struktion zum Beispiel immer groß war.
 
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