Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einmal ist Cranach allerdings auch als Zeichner gefordert worden, als es galt, das Gebetbuch
Kaiser Maximilians mit Randzeichnungen zu verzieren. Der Umfang der Arbeit war gering.
Nur acht Seiten waren zu bewältigen, allerdings an hervorragender Stelle: im Anschluß an
die sechsundvierzig bezeichneten Seiten von Dürer. [347] Wahrscheinlich lagen Dürers Rand- Tafeln 89, 90
Zeichnungen bereits vor, in mehreren Fällen ist die Bezugnahme auf Bildmotive des Nürn-
berger Meisters deutlich [348]. Cranachs Vorgehen ist einfach. Fast mechanisch verziert er die
rechte Seite des aufgeschlagenen Buches, außerdem die erste und die vorletzte linke Seite der
ihm übergebenen Lage, so daß zwei Doppelbilder entstehen. Diese zusammengehörenden
Doppelseiten sind in ihrer gleichmäßigen Dichte das Beste, was an dem Auftrag gelang.
Andere zerfallen in einzelne anspruchsvolle Motive, die sich nicht gut zusammenfügen. [349]
Cranach zeigt auf durchgehenden Bodenstreifen seine erstaunlichen Fertigkeiten als Tier-
darsteller, ein umfangreicher Teil des Motivbestandes an Hirschen und Rehen wird dabei aus-
gebreitet. Die selbständigste Leistung, ein Landschaftsausblick hinter zwei Bäumchen, die
wie Fensterpfosten im Ausschnitt stehen, begleitet von einer Wolke, aus der Engelleiber
hervorwachsen, wird meist ungünstig beurteilt. Sie bringt ein völlig anderes, kleinteiliges und
doch weiträumiges Maß in den Zusammenhang der Randzeichnungen, läßt die Landschaft
ohne statuarisches Gegengewicht einfließen, wie schon beim Holzschnitt mit der Verehrung
des Marienherzens. Eigene Tragfähigkeit scheint auch Cranach diesem eindringlichen Versuch
nicht beigemessen zu haben. Er bleibt vereinzelt, das Bestreben, der Vielfalt Dürers zu folgen,
selbst bis hin in abstrakte Kalligraphie, die Cranach nicht lag, überwiegt.

Die selbständige Zeichnung war dem gewandten Maler, scheint es, ein Bezirk des Müßig-
ganges, aus dem er sich nach Möglichkeit heraushielt. Von der Schwungkraft malerischer
Betätigung fortgetrieben, verweilte er nie in diesem unerschöpflichen Garten der Erfahrung
[350], aus dem ein Meister wie Dürer reiche Frucht zu bergen vermochte. Cranachs Bild-
vorstellung erscheint einfach und klar. Er pflegt sein Ziel ohne Umschweife anzugehen, frei-
lich unter Verzicht auf manchen Gewinn, der sich auf Umwegen ergibt. Dieses Vorgehen
scheint sich auch den Angehörigen der Werkstatt mitgeteilt zu haben, denn aus der Schule
Cranachs sind bedeutende Zeichner nicht hervorgegangen.

g" CRANACH ALS BILDNISMALER

Die Bildnisse von der Hand Cranachs sind Zeugnisse einer ausgeprägten Begabung in diesem
Fache. Das Porträt in beziehungsgeladener Umgebung: so stellte sich dem Künstler die Auf-
gabe zur Zeit der Cuspinian-Bildnisse dar und noch beim Bildnis Kurfürst Friedrichs vor dem Tafeln 12, 13
heiligen Bartholomäus [351] und vor der Madonna [352]. Die mit den Gestalten verbundene Tafeln 68, 81
Landschaft, das an wichtiger Stelle aufgeschlagene Buch sind bezeichnende Begleitmotive
dieser Bilder. Sie finden sich auch noch später wieder, teilweise in besonderer Deutlichkeit,
aber ohne die ursprüngliche Notwendigkeit. Die ersten Bildnisse Cranachs sind mutige Be-
kenntnisse zu einem neuen Weltbild. Die Haltung der Dargestellten ist aber befangen, der
Ausdruck der Gesichter gedämpft. Der Blick geht über den Betrachter hinweg oder neben ihm
vorbei. Es sind betende oder sinnende Köpfe.

Die Darstellungen der Wittenberger Zeit wirken menschlich aufgeschlossener. Die Gesich-
ter vor dem neutralen Grund haben keine andere Beziehung als zum Betrachter, begegnen
und antworten auf dessen Blick. Die Köpfe sind straffer geformt, erscheinen wie aus einem

5i
 
Annotationen