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Vorgehens am weitesten voran. Die eine Zeitlang aufblühenden lutherischen Bekenntnis-
bilder verhüllten den wahren sozialen Inhalt der Auseinandersetzungen. Die lutherische Lan-
deskirche erwies sich als ein brauchbares Werkzeug zur Festigung der wachsenden Fürsten-
macht. Diese Macht, die ohne Widerspruch regierte, entwarf von ihrer Vorgeschichte Ideal-
bilder, denen die Künstler Wirklichkeit verleihen sollten.

Das bürgerliche Epitaphbild dieser Jahre, glänzend vertreten durch die Erweckung des
Lazarus von 1558, ehemals in Nordhausen [683], oder durch die Auferstehung [684] und die Tafeln 232, 224
Darstellung von Sündenfall und Erlösung [68 5], ist, teilweise bis zu wörtlicher Wiederholung,
an den fürstlichen Vorbildern ausgerichtet. Am stärksten ist der repräsentative Anspruch beim
Epitaph Michael Meyenburgs, des humanistisch gebildeten Bürgermeisters der Reichsstadt
Nordhausen. Den Jüngern Jesu bei der Erweckung des Lazarus ist eine Gruppe von Refor-
matoren gegenübergestellt. Die Auswahl aber ist ein Wunschbild, denn in den Kreis Luthers,
Melanchthons, Spalatins, Bugenhagens, Jonas', Crucigers, Försters und des Kanzlers Gregor
Brück ist auch Erasmus von Rotterdam gestellt, mit dem Meyenburg im Briefwechsel gestan-
den hatte. Von der Bildecke her blickt die Erscheinung der Veste Coburg, das Wahrzeichen
des ernestinischen Fürstenhauses, herab. Das große Bild mit dem sonst nicht sehr häufig
behandelten Thema brauchte sicherlich eine sorgfältige Vorbereitung. Wieder ist ein gewisses
Gerüst der Komposition durch wenige dünne Stämme und ein Spalier von Weinpflanzen
gegeben. Für die Anlage des Ganzen und die Bildung verschiedener Einzelheiten ist die Aus-
einandersetzung mit einem der seltenen Kupferstiche des Bildhauers Veit Stoß erkannt wor-
den. [686] Abwandlungen nach Kupferstichen und Holzschnitten Dürers sind auch sonst und Seite 433
besonders bei den großen Gemälden des jüngeren Cranach nachzuweisen. Eines der ein-
deutigsten Beispiele bietet die Auferstehung Christi, wohl von 1558, in der Stadtkirche zu
Wittenberg [687], ein anderes Auferstehungsbild von 1545 in Mansfeld [688] erscheint stärker
abgewandelt. Im kleinen Figurenmaßstab sind solche Entlehnungen seltener oder weniger
deutlich erkennbar.

Eine sorgsame Auseinandersetzung mit der Bilderwelt der älteren Generation tritt auf diese
Weise an die Stelle blind fortwirkender Werkstattübung, die zeitweise das Cranachschaffen
beherrscht zu haben scheint. Der Zug der pietätvollen Pflege der Überlieferung stimmt im
Grunde mit den Anliegen einer ganzen Generation junger Auftraggeber zusammen, die aus
dem Blickwinkel ihres Wunschdenkens das Andenken ihrer Väter, Zeitgenossen der Refor-
mation, feierten.

s

DIE SPÄTEN KOMPOSITIONEN

Bei den figürlichen Darstellungen der späteren Jahre überwiegt der kleine Figurenmaßstab.
Ausnahmen bilden die Bilder des gekreuzigten Christus mit Stiftern auf dem Epitaph von
1570 in Nienburg [689] und aus dem Jahre 1571 in Augustusburg [690] und als Darstellung Seite 433
für sich in Wittenberg. [691] Von dieser kleinen Gruppe sind spätere Gemälde kaum merklich Seite 432
berührt. Die leichte Beweglichkeit kleiner Figuren, anfangs vielleicht motiviert durch den
Gewinn an Räumlichkeit, hatte für den erfindungsarmen Cranach gewiß eine besondere An-
ziehungskraft.

Die hervorragendsten späten Arbeiten sind: das Weihnachtsepitaph von 1564 [692], die Tafel 249
Dessauer Abendmahlstafel von 1565 [693], die Innenflügel des Kemberger Altares von 1565 Tafel 250

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