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Schayer, Stanisław
Die Struktur der magischen Weltanschauung nach dem Atharva-Veda und den Brāhmaṇa-Texten — München-Neubiberg: Schloss, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.72139#0013
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Von Stanislav Schayer

13

II.
Die Elemente der primitiven Magie.
Die Opferwissenschaft der Brähmana-Texte ist indessen
nicht nur eine„VerfaIlserscheinung", ein Abfall von der „ge-
sunden" Religiosität und dem naturwüchsigen Götterglauben:
sie ist zugleich der erste Schritt zur Wissenschaft und zur
Philosophie: eine „vorwissenschaftliche Wissenschaft" und
eine „vorphilosophische Philosophie", wie sie Oldenberg, Die
Weltansch. d. Br. I, S. 1 durchaus treffend charakterisiert
hat.1) In jeder Hinsicht erweist sich die opferliturgische Spe-
kulation als die Quelle der geistigen Kultur Altindiens. Wie
der Einheitsgedanke der Upanischaden aus den Brähmanas
hervorwächst, hoffe ich in einer besonderen Untersuchung
demnächst eingehend darzulegen. Die Anfänge der Gram-
matik, der Etymologie und der bewundernswerten Sprach-
wissenschaft des Pänini, des Patanjali und des Candragomin
sind jedenfalls in den Brähmanas zu suchen. Die Bahnen,
auf denen sich das Denken der Opfertheologen bewegt, mögen
uns oft „bizarr und mesquin" erscheinen, die Lektüre der end-
losen Wiederholungen mag für das abendländische Stilgefühl
eine harte Probe bedeuten, — daß aber in den Brähmanas
eine spekulative Leistung vorliegt, deren historische Trag-
weite kaum hoch genug eingeschätzt werden kann, darf nicht
übersehen werden. Es ist unsere Aufgabe die Grundgedanken
der magischen Opferwissenschaft, den Aufbau ihres Welt-
bildes und ihre Grundsätze zu untersuchen.
Wir beginnen mit einer kurzen zusammenfassenden Dar-
stellung der primitiven Magie, wie sie uns im Atharva-Veda
und in der Grhya-Literatur, vor allem im Kausika-Sütra ent-
gegentritt. Wir beschäftigen uns zunächst mit den „magischen
Substanzen", die neben den persönlich gedachten Dämonen,
Unholden und Genien das primitive Weltbild erfüllen, das Glück
und das Unglück des Menschen beeinflussen und auch ihrer-
seits durch besondere Techniken beeinflußt werden können.

, Der Ausdruck „vorwissenschaftliche Wissenschaft" wird von Win-
ternitz, Gesch. d. ind. Lit. III, S. 612 ohne ersichtliche Gründe beanstandet.
 
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