Von Stanislav Schayer
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den Brähmana's zur Bezeichnung teuflischer, tückischer Wesen.
Die Entwicklung, so merkwürdig sie zunächst erscheint, ist
durchaus verständlich: Die Asura's sind ex definitione auto-
nome Götter, Träger der mäyä, der irrationalen Wunderkraft
und daher dem Zwang der magischen Techniken des Opfer-
rituals schlechthin unzugänglich. Für die theistische Fröm-
migkeit des Varuna-Kultes sind sie erhabene Lenker und Hüter
des rta gewesen; innerhalb der magischen Weltanschauung
mußten sie hingegen zu teuflischen Dämonen herabsinken,
weil sie die Norm der magischen Determiniertheit durchbrachen
und die Machtbefugnisse des magischen Übermenschen be-
einträchtigten.1)
Im Gegensatz dazu konnten die Deva's in die kausalen
Zusammenhänge des magischen Weltbildes eingeordnet und
der irrationalen Züge ihres Wesens entkleidet werden. Und
zwar auf zwei verschiedenen Wegen: erstens, indem man sie
zu abstrakten „Substanzen", zu den devatä's umdeutete; und
zweitens, indem man sie zu den „Verwaltern", zu den adhipati's
bestimmter Güter, Tätigkeiten und Erscheinungen degradierte
und faktisch zu abstrakten „Sondergöttern" machte. So z. B.
werden im Sat. Br. XII, 1, 3 als „Gottheiten" nicht nur Agni,
Soma, Visnu und Aditi sondern auch Tag und Nacht, das
Jahr, die Monate, die Jahreszeiten, das Wasser und die Him-
melsgegenden aufgezählt. Sonst wird zwischen den Göttern
und den abstrakten Substanzen ein direktes Verhältnis der
magisch-symbolischen Äquivalenz hergestellt. Man sagt etwa:
diese Welt ist Agni, der Luftraum ist Soma, die Himmelswelt
ist Visnu. (Kaus. Br. VIII, 9). Oder auch: der Ruf vasat ist
Dhätar, die Gayatri ist die Anumati, die Tristubh ist die Räkä,
die Jagati ist die Sinivali, die Anustubh ist die Kuhü. (Ait.
, Bekanntlich liegen die Verhältnisse im Awesta umgekehrt: die
Daevas übernehmen die Rolle der bösen Dämonen und Ahura Mazda ist
der wahre Gott des wahren Glaubens. Aus dieser Divergenz sei es mit
Haug, Essays on the Parsis, S. 267; Die Gäthäs des Zarathustra II, S. 234
auf ein indoiranisches Schisma — sei es mit Hillebrandt, Ved. Myth. III,
S. 430 ff. auf spätere, kriegerische Konflikte zwischen den brahmanischen
Indern und den iranischen Ahura-Verehrern zu schließen, ist nicht an-
gängig. Ich hoffe auf das Problem in einem anderen Zusammenhang zu-
zurückkommen.
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den Brähmana's zur Bezeichnung teuflischer, tückischer Wesen.
Die Entwicklung, so merkwürdig sie zunächst erscheint, ist
durchaus verständlich: Die Asura's sind ex definitione auto-
nome Götter, Träger der mäyä, der irrationalen Wunderkraft
und daher dem Zwang der magischen Techniken des Opfer-
rituals schlechthin unzugänglich. Für die theistische Fröm-
migkeit des Varuna-Kultes sind sie erhabene Lenker und Hüter
des rta gewesen; innerhalb der magischen Weltanschauung
mußten sie hingegen zu teuflischen Dämonen herabsinken,
weil sie die Norm der magischen Determiniertheit durchbrachen
und die Machtbefugnisse des magischen Übermenschen be-
einträchtigten.1)
Im Gegensatz dazu konnten die Deva's in die kausalen
Zusammenhänge des magischen Weltbildes eingeordnet und
der irrationalen Züge ihres Wesens entkleidet werden. Und
zwar auf zwei verschiedenen Wegen: erstens, indem man sie
zu abstrakten „Substanzen", zu den devatä's umdeutete; und
zweitens, indem man sie zu den „Verwaltern", zu den adhipati's
bestimmter Güter, Tätigkeiten und Erscheinungen degradierte
und faktisch zu abstrakten „Sondergöttern" machte. So z. B.
werden im Sat. Br. XII, 1, 3 als „Gottheiten" nicht nur Agni,
Soma, Visnu und Aditi sondern auch Tag und Nacht, das
Jahr, die Monate, die Jahreszeiten, das Wasser und die Him-
melsgegenden aufgezählt. Sonst wird zwischen den Göttern
und den abstrakten Substanzen ein direktes Verhältnis der
magisch-symbolischen Äquivalenz hergestellt. Man sagt etwa:
diese Welt ist Agni, der Luftraum ist Soma, die Himmelswelt
ist Visnu. (Kaus. Br. VIII, 9). Oder auch: der Ruf vasat ist
Dhätar, die Gayatri ist die Anumati, die Tristubh ist die Räkä,
die Jagati ist die Sinivali, die Anustubh ist die Kuhü. (Ait.
, Bekanntlich liegen die Verhältnisse im Awesta umgekehrt: die
Daevas übernehmen die Rolle der bösen Dämonen und Ahura Mazda ist
der wahre Gott des wahren Glaubens. Aus dieser Divergenz sei es mit
Haug, Essays on the Parsis, S. 267; Die Gäthäs des Zarathustra II, S. 234
auf ein indoiranisches Schisma — sei es mit Hillebrandt, Ved. Myth. III,
S. 430 ff. auf spätere, kriegerische Konflikte zwischen den brahmanischen
Indern und den iranischen Ahura-Verehrern zu schließen, ist nicht an-
gängig. Ich hoffe auf das Problem in einem anderen Zusammenhang zu-
zurückkommen.