Von Stanislav Schayer
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muß ein Pfeil abgeschossen werden (Kaus. S. XXV, 30; Ath.
V. I, 3). Böse Dämonen bändigt man, indem man hölzerne
Pflöcke in den Boden schlägt (Kaus. S. XXV, 2). Durch ein
festeres Zusammenziehen des Gürtels erwürgt man den Feind.
(Kaus. S. XLVII, 22). Um die Niederkunft einer Frau zu er-
leichtern, löst man alle Knoten im Hause auf
Zu derselben Kategorie der symbolischen Magie gehört
auch der Divinationszauber. Um den Ausgang eines künftigen
Geschehens zu erfahren, vollzieht man die entsprechende
Handlung symbolisch an dem magischen Äquivalent. Zur
Illustration einige Beispiele: Man reißt über dem Haupte der
schwangeren Frau vier Munja-Gräser so auseinander, daß die
Blattscheiden nach Osten, die Halme nach Westen gezogen
werden. Zerbrechen die Halme dabei nicht, so ist bei der Ent-
bindung keine Gefahr zu befürchten. (Kaus. S. XXXIII, 1).
Vor der Schlacht zündet man Grasbündel an. Das Heer, in
dessen Richtung der Rauch des Feuers — das Symbol der
Niederlage — sich wendet, wird besiegt (Kaus. S. XIV,
30—31; XV, 15—18). Ein Abkömmlung eines Brahmanen
berührt die Glieder einer schwangeren Frau. Wenn das gram-
matikalische Geschlecht der berührten Glieder männlich ist,
darf man die Geburt eines Knaben erwarten (Kaus. S. XXXIII,
19). Der Sinn dieser Praktiken ist klar und bedarf keiner
weiteren Erörterung.
Als eine höchst geheimnisvolle, magische Äquivalenz ist
auch das Verhältnis zwischen dem Namen und dem Träger
des Namens zu beurteilen. In dem Namen ist die Wesenheit
des Individuums gleichsam in einem zweiten Exemplar ent-
halten. Der Name ist kein bloßes Zeichen, kein flatus vocis,
keine Etiquette, sondern im tiefsten Sinne des Wortes das
magische Eidos des Gegenstandes, sein wahres Wesen. Dadurch,
daß man sich des Namens bemächtigt, d. h. ihn feierlich nennt
oder ihn bloß kennt, gewinnt man zauberische Macht und Ge-
walt über das Genannte. Deshalb erhält das Kind1) zwei
Namen: einen profanen, alltäglichen Namen und einen anderen
geheimen Namen (guhyam, rahasyam nama), den nur die Eltern
*) Vgl. A. Hilka, Beiträge zur Kenntnis der aitind. Namenbildung.
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muß ein Pfeil abgeschossen werden (Kaus. S. XXV, 30; Ath.
V. I, 3). Böse Dämonen bändigt man, indem man hölzerne
Pflöcke in den Boden schlägt (Kaus. S. XXV, 2). Durch ein
festeres Zusammenziehen des Gürtels erwürgt man den Feind.
(Kaus. S. XLVII, 22). Um die Niederkunft einer Frau zu er-
leichtern, löst man alle Knoten im Hause auf
Zu derselben Kategorie der symbolischen Magie gehört
auch der Divinationszauber. Um den Ausgang eines künftigen
Geschehens zu erfahren, vollzieht man die entsprechende
Handlung symbolisch an dem magischen Äquivalent. Zur
Illustration einige Beispiele: Man reißt über dem Haupte der
schwangeren Frau vier Munja-Gräser so auseinander, daß die
Blattscheiden nach Osten, die Halme nach Westen gezogen
werden. Zerbrechen die Halme dabei nicht, so ist bei der Ent-
bindung keine Gefahr zu befürchten. (Kaus. S. XXXIII, 1).
Vor der Schlacht zündet man Grasbündel an. Das Heer, in
dessen Richtung der Rauch des Feuers — das Symbol der
Niederlage — sich wendet, wird besiegt (Kaus. S. XIV,
30—31; XV, 15—18). Ein Abkömmlung eines Brahmanen
berührt die Glieder einer schwangeren Frau. Wenn das gram-
matikalische Geschlecht der berührten Glieder männlich ist,
darf man die Geburt eines Knaben erwarten (Kaus. S. XXXIII,
19). Der Sinn dieser Praktiken ist klar und bedarf keiner
weiteren Erörterung.
Als eine höchst geheimnisvolle, magische Äquivalenz ist
auch das Verhältnis zwischen dem Namen und dem Träger
des Namens zu beurteilen. In dem Namen ist die Wesenheit
des Individuums gleichsam in einem zweiten Exemplar ent-
halten. Der Name ist kein bloßes Zeichen, kein flatus vocis,
keine Etiquette, sondern im tiefsten Sinne des Wortes das
magische Eidos des Gegenstandes, sein wahres Wesen. Dadurch,
daß man sich des Namens bemächtigt, d. h. ihn feierlich nennt
oder ihn bloß kennt, gewinnt man zauberische Macht und Ge-
walt über das Genannte. Deshalb erhält das Kind1) zwei
Namen: einen profanen, alltäglichen Namen und einen anderen
geheimen Namen (guhyam, rahasyam nama), den nur die Eltern
*) Vgl. A. Hilka, Beiträge zur Kenntnis der aitind. Namenbildung.