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Schayer, Stanisław
Die Struktur der magischen Weltanschauung nach dem Atharva-Veda und den Brāhmaṇa-Texten — München-Neubiberg: Schloss, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.72139#0009
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Von Stanislav Schayer

9

sexuelle Orgiastik1) im Atharva-Veda bis auf wenige Aus-
nahmen ebenso wie im Rg-Veda gemieden werden. Die Be-
zeichnung deva für die Brahmanen kommt im Atharva-Veda
bereits häufig vor, während anderseits eine ganze Reihe von
Hymnen die Beschwörungen im Interesse der Priesterkaste
behandelt.2)
Die Konsolidierung der offiziellen priesterlichen Magie,
ihre Verquickung mit dem Ritual und mit der alten Götter-
verehrung gelangt zum Abschluß in den Brähmanas, die sich
im Gegensatz zum Atharva-Veda und zu den Grhya Sütra's
zwar nicht ausschließlich, doch überwiegend mit dem höheren
Srauta-Ritual beschäftigen. Die Funktion des yajamäna be-
schränkt sich auf die formelle Opferung (tyäga), auf das Ein-
halten bestimmter Observanzen und auf die Verteilung der
Geschenke: die eigentliche Opferhandlung vollzieht der ge-
lehrte Priester, der opferkundige Brahmane. Im Zentrum
des literarischen Interesses steht das hoch offizielle Soma-
Opfer, das zugleich den Hauptinhalt der meisten Brähmanas
bildet.: des Aitareya und des Kausitaki, die daneben nur noch
das Agnihotra, den Rajäsüya und das Darsapürnamäsa be-
handeln, der Samhitä's des Schwarzen und des Weißen Yajur-
Veda und des Mahätändyabrähmana des Säma-Veda. Nur
das Sämavidhänabrähmana und das Sadvimsabrähmana, beide
zum Säma-Veda gehörig, sind echte Lehrbücher der volks-
tümlichen Magie. Dadurch ist zugleich der offizielle, hieratische

9 Phallische Dämonen, die Sisna-deväh, werden im RV an zwei Stellen:
VII, 21, 5 und X, 93, 3 in einem ausgesprochen feindlichen Ton genannt.
Bemerkenswert ist auch die Umdeutung, die im RV die Gandharven er-
fahren haben: im AV priapeische Buhlengeister, die den Frauen nach-
stellen, sind sie im RV zu dem (Sg. !) „himmlischen Gandharva" geworden —
zum idealisierten Hüter des Soma und dem Förderer der Andacht. Die
Entwicklung ist typisch, da sie einerseits den Abstand, anderseits den Zu-
sammenhang zwischen dem offiziellen und des volkstümlichen Glauben
illustriert. Über die Abneigung der offiziellen vedischen Religion gegen
die irrationale Extatik und Orgiastik vgl. Max Weber, Gesamm eite Auf-
sätze zur Religionssoziologie, II. S. 134 und L. v. Schröder, Mysterium und
Mimus im Rg.-Veda S. 58.
, Vgl. Whitney, Index, s. v. deva. Winternitz, Gesch. d. ind. Lit.
I S. 129.
 
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