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lieh die Gluth der Empfindung, welche in das Madrigal auf
der Rückseite desselben Briefblattes ausströmt:
»Die Liebe nimmt so mich ein und will es auch nicht, dass ich An-
deres begehre, als was Dir gleiche. Und da von Deinen Augenbrauen
allein Tugend, Ehre, Leben, Heil abhängen, kann auch meine Seele, —
von den Sinnen beschwert, — nur durch Dich klar erfassen, was die Natur
mir verbirgt und der Himmel mir verhüllt ,.«
Der brave Angiolini machte sich indess sofort nach
Empfange dieses Briefes an das Schreiben und suchte Michel-
angelo mit folgender Versicherung zu beruhigen:
»Ich bin im Besitz Ihres Briefes vom II., ebenso wie
desjenigen an Messer Tomao und der so schönen Sonette,
von denen ich mir eine Abschrift genommen und dann sie
an ihre Adresse gegeben habe. Um Euch wissen zu lassen,
welche Liebe er für alle Eure Sachen hegt, hat er mir ver-
sprochen, Ihnen zu antworten. Die Antwort wird in diesem
Briefe sein. Und nach dem, was ich bemerkte, zählt er die
Stunden, nicht nur die Tage, bis zu dem Augenblicke, wo
Ihr, wie Ihr sagt, zurück sein werdet. Also liegt ihm alles
am Herzen, was Euch betrifft, und er grüsst Euch vielmals!«
Ein reizendes Situationsbild folgt:
»Ich habe letzte Woche die Granatenernte abnehmen
lassen. Einen Korb davon schickte ich Messer Tomao, einen
andern dem Kleinen des Fra Bastiano2), und etwas hob ich
für Euch auf. Sie sind sehr schön gerathen dieses Jahr.
Euer Haus mit allen seinen Insassen ist wohlauf.«
Angiolini ist aber selbst von den zarten dichterischen
Y) cf. Guasti, Le Rime ecc., p. 88. Der Herausgeber der Michel-
angelo'schen Gedichte hat dieses Fragment mit einem anderen unvollendeten
Madrigale in eines verschmolzen als »fünfte Lesart« des Madrigale LII.
Die oben gegebene Versreihe beginnt hier in der zweiten Hälfte des Gedichtes
mit den Worten: »Amor cosi mi tiene« ecc.
2) Michelangelo war Pathe des Kindes von Sebastian del Piombo.
lieh die Gluth der Empfindung, welche in das Madrigal auf
der Rückseite desselben Briefblattes ausströmt:
»Die Liebe nimmt so mich ein und will es auch nicht, dass ich An-
deres begehre, als was Dir gleiche. Und da von Deinen Augenbrauen
allein Tugend, Ehre, Leben, Heil abhängen, kann auch meine Seele, —
von den Sinnen beschwert, — nur durch Dich klar erfassen, was die Natur
mir verbirgt und der Himmel mir verhüllt ,.«
Der brave Angiolini machte sich indess sofort nach
Empfange dieses Briefes an das Schreiben und suchte Michel-
angelo mit folgender Versicherung zu beruhigen:
»Ich bin im Besitz Ihres Briefes vom II., ebenso wie
desjenigen an Messer Tomao und der so schönen Sonette,
von denen ich mir eine Abschrift genommen und dann sie
an ihre Adresse gegeben habe. Um Euch wissen zu lassen,
welche Liebe er für alle Eure Sachen hegt, hat er mir ver-
sprochen, Ihnen zu antworten. Die Antwort wird in diesem
Briefe sein. Und nach dem, was ich bemerkte, zählt er die
Stunden, nicht nur die Tage, bis zu dem Augenblicke, wo
Ihr, wie Ihr sagt, zurück sein werdet. Also liegt ihm alles
am Herzen, was Euch betrifft, und er grüsst Euch vielmals!«
Ein reizendes Situationsbild folgt:
»Ich habe letzte Woche die Granatenernte abnehmen
lassen. Einen Korb davon schickte ich Messer Tomao, einen
andern dem Kleinen des Fra Bastiano2), und etwas hob ich
für Euch auf. Sie sind sehr schön gerathen dieses Jahr.
Euer Haus mit allen seinen Insassen ist wohlauf.«
Angiolini ist aber selbst von den zarten dichterischen
Y) cf. Guasti, Le Rime ecc., p. 88. Der Herausgeber der Michel-
angelo'schen Gedichte hat dieses Fragment mit einem anderen unvollendeten
Madrigale in eines verschmolzen als »fünfte Lesart« des Madrigale LII.
Die oben gegebene Versreihe beginnt hier in der zweiten Hälfte des Gedichtes
mit den Worten: »Amor cosi mi tiene« ecc.
2) Michelangelo war Pathe des Kindes von Sebastian del Piombo.