- 5° -
Mein Willen ist in dem Euren beschlossen; meine Gedanken ent-
stehen in Eurem Herzen, und meine Worte leben in Eurem Athem.
So scheint es, ich bin wie der Mond, der für sich allein nicht leuchtet,
da unsre Augen ihn nicht am Himmel zu sehen vermögen, äusser wenn
die Sonne ihm Glanz giebt1).«
Inzwischen hatte Michelangelo auf das Drängen der
römischen Freunde wirklich ernstliche Anstalten gemacht,
Florenz zu verlassen. Am 15. October, also noch vor dem
Eintreffen von Angiolini's letztem Briefe, schrieb er an den
Prior von S. Lorenzo, Figiovanni, dass er Geld brauche, um
seine »cosa di Roma« (das Juliusdenkmal) so viel als mög-
lich zu beschleunigen, und nächsten »Mittwoch auf jeden
Fall abreisen wolle« 2),
Allein er kam nicht fort. Und schlimmer noch! Es
trat zwischen den jungen Freund und ihn ein Missverständ-
niss ein, welches dem bisherigen Romane eine nahezu tra-
gische Wendung gab.
Mit dem grellen Aufschrei seines tief verwundeten Ge-
müthes endigt Michelangelo diese Correspondenz.
Er will oder kann dabei nicht mehr des Freundes eigent-
lichen Namen nennen; er schreibt an »Phöbus«! Nachdem
er Cavalieri als das »Licht des Jahrhunderts« angeredet, als
»Sole« besungen, lag der Vergleich mit dem Sonnengotte
nahe. Der eigentliche Brief selbst enthält aber nichts Poeti-
sches. Er spricht nur von den Thatsachen. Ich betone es,
weil man auch diesen Zeilen eine sonderbare symbolische
Deutung zu geben versucht hat:
, Guasti, a. a. O., p. 188. Weil Varchi nur das Sonett gebracht
hatte und die Adresse bekannt, regt sich erst recht wieder Buonarroti's
ängstliches Gewissen. Den harmlosen Ausdruck Michelangelo's »Nel vostro
fiato son le mie parole« (vers. io d. Son.) ändert er in: »Nel vostro
spirto (1) son le mie parole.«
, Milanesi, a. a. 0. No. CDXIX.•
Mein Willen ist in dem Euren beschlossen; meine Gedanken ent-
stehen in Eurem Herzen, und meine Worte leben in Eurem Athem.
So scheint es, ich bin wie der Mond, der für sich allein nicht leuchtet,
da unsre Augen ihn nicht am Himmel zu sehen vermögen, äusser wenn
die Sonne ihm Glanz giebt1).«
Inzwischen hatte Michelangelo auf das Drängen der
römischen Freunde wirklich ernstliche Anstalten gemacht,
Florenz zu verlassen. Am 15. October, also noch vor dem
Eintreffen von Angiolini's letztem Briefe, schrieb er an den
Prior von S. Lorenzo, Figiovanni, dass er Geld brauche, um
seine »cosa di Roma« (das Juliusdenkmal) so viel als mög-
lich zu beschleunigen, und nächsten »Mittwoch auf jeden
Fall abreisen wolle« 2),
Allein er kam nicht fort. Und schlimmer noch! Es
trat zwischen den jungen Freund und ihn ein Missverständ-
niss ein, welches dem bisherigen Romane eine nahezu tra-
gische Wendung gab.
Mit dem grellen Aufschrei seines tief verwundeten Ge-
müthes endigt Michelangelo diese Correspondenz.
Er will oder kann dabei nicht mehr des Freundes eigent-
lichen Namen nennen; er schreibt an »Phöbus«! Nachdem
er Cavalieri als das »Licht des Jahrhunderts« angeredet, als
»Sole« besungen, lag der Vergleich mit dem Sonnengotte
nahe. Der eigentliche Brief selbst enthält aber nichts Poeti-
sches. Er spricht nur von den Thatsachen. Ich betone es,
weil man auch diesen Zeilen eine sonderbare symbolische
Deutung zu geben versucht hat:
, Guasti, a. a. O., p. 188. Weil Varchi nur das Sonett gebracht
hatte und die Adresse bekannt, regt sich erst recht wieder Buonarroti's
ängstliches Gewissen. Den harmlosen Ausdruck Michelangelo's »Nel vostro
fiato son le mie parole« (vers. io d. Son.) ändert er in: »Nel vostro
spirto (1) son le mie parole.«
, Milanesi, a. a. 0. No. CDXIX.•