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Crucifix von Michelangelo zu erhalten1), und die, eine an-
dere Diotima, den »amore«, die »errori«2) des
Künstlers, mit letzterem, wie Madrigal V zeigt, dis-
cutirt! Wenn etwas die Reinheit, die Weihe der Atmo-
sphäre, in der Michelangelo sich bewegte, bezeugen sollte,
giebt es wohl dieser Zug. Wäre dem nicht so gewesen, so
wäre auch gewiss nicht die Marchesa als der »Freund« hinzu-
getreten. Als solcher tolerirt sie den Schönheitscultus des
Meisters, hört an seine Klagen, wenn er damit scheitert, und
hält die Tröstungen einer anderen idealen Vorstellungswelt,
des -Christenthums für ihn bereit. Die Selbstentäusserung,
die die Freundin in diesem eigenartigen Verhältnisse beweist,
erscheint immerhin als ein Phänomen von seltenster Art.
Denn mochte es der Marchesa — wie es der Ton ihrer
Briefe stellenweise auszudrücken scheint — eine Genugthuung
bedeuten, Christus im Kampfe mit der Erdenmacht, die des
Künstlers Herz erfüllt, als den Sieger hervorgehen zu sehen,
, S. S. 186. Die Eingangszeilen des dort gegebenen Briefes Michel-
angelo's sind nicht frei von Empfindlichkeit. Doch nicht das nimmt der
Künstler übel, dass die Marchesa sich an Cavalieri als Vermittler gewendet
(der junge Mann war auch damals, wie jederzeit, die Michelangelo'n am
nächsten stehende Persönlichkeit), sondern dass sie überhaupt solche Neben-
wege suchte. — Eben diese Empfindlichkeit Michelangelo's »Vermittelungen«
gegenüber widerlegt auch auf's gründlichste Gotti's oben angeführte Hypo-
these (S, $8); welche Cavalieri das »Aushängeschild« für die Colonna in der
mit diesem gepflogenen Correspondenz sein lässt. Doch darüber ist nach
dem Vorhergehenden kein Wort mehr zu verlieren.
2) Dass unter dem »amore« .und den »errori« oben Michelangelo seine
besondere Erotik gemeint, darüber lässt, wenn sonst nichts es bestätigte,
} die ängstliche Umdichtung der Stelle durch den Grossneffen keinen Zweifel.
' Er schreibt anstatt des Originals »Ch' amor mi sganni« ecc.:
»Ove per voi nel mio dubbiar si scriva,
Come quest' alma d' ogni luce priva« ecc.!
kurz, die zweite Hälfte des Madrigals enthält bei ihm ganz verschiedene
»harmlose« Gedanken.
Crucifix von Michelangelo zu erhalten1), und die, eine an-
dere Diotima, den »amore«, die »errori«2) des
Künstlers, mit letzterem, wie Madrigal V zeigt, dis-
cutirt! Wenn etwas die Reinheit, die Weihe der Atmo-
sphäre, in der Michelangelo sich bewegte, bezeugen sollte,
giebt es wohl dieser Zug. Wäre dem nicht so gewesen, so
wäre auch gewiss nicht die Marchesa als der »Freund« hinzu-
getreten. Als solcher tolerirt sie den Schönheitscultus des
Meisters, hört an seine Klagen, wenn er damit scheitert, und
hält die Tröstungen einer anderen idealen Vorstellungswelt,
des -Christenthums für ihn bereit. Die Selbstentäusserung,
die die Freundin in diesem eigenartigen Verhältnisse beweist,
erscheint immerhin als ein Phänomen von seltenster Art.
Denn mochte es der Marchesa — wie es der Ton ihrer
Briefe stellenweise auszudrücken scheint — eine Genugthuung
bedeuten, Christus im Kampfe mit der Erdenmacht, die des
Künstlers Herz erfüllt, als den Sieger hervorgehen zu sehen,
, S. S. 186. Die Eingangszeilen des dort gegebenen Briefes Michel-
angelo's sind nicht frei von Empfindlichkeit. Doch nicht das nimmt der
Künstler übel, dass die Marchesa sich an Cavalieri als Vermittler gewendet
(der junge Mann war auch damals, wie jederzeit, die Michelangelo'n am
nächsten stehende Persönlichkeit), sondern dass sie überhaupt solche Neben-
wege suchte. — Eben diese Empfindlichkeit Michelangelo's »Vermittelungen«
gegenüber widerlegt auch auf's gründlichste Gotti's oben angeführte Hypo-
these (S, $8); welche Cavalieri das »Aushängeschild« für die Colonna in der
mit diesem gepflogenen Correspondenz sein lässt. Doch darüber ist nach
dem Vorhergehenden kein Wort mehr zu verlieren.
2) Dass unter dem »amore« .und den »errori« oben Michelangelo seine
besondere Erotik gemeint, darüber lässt, wenn sonst nichts es bestätigte,
} die ängstliche Umdichtung der Stelle durch den Grossneffen keinen Zweifel.
' Er schreibt anstatt des Originals »Ch' amor mi sganni« ecc.:
»Ove per voi nel mio dubbiar si scriva,
Come quest' alma d' ogni luce priva« ecc.!
kurz, die zweite Hälfte des Madrigals enthält bei ihm ganz verschiedene
»harmlose« Gedanken.