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wirkt es doch nur durch unmittelbare Berührung, nach diesem
Sinne liegt alles auf uns, er würde uns nie eine Vor-
stellung vom leeren freyen Raume geben, da hingegen das
Gesicht uns in die Ferne zu wirken scheint. Erst wenn der
letztgenannte Sinn die körperlichen Objekte aus uns heraus 5
und uns gegenüber gestellt hat, kann auch das Gefühl auf
seine Anschauungen angewandt werden, es kann die entfernten
angefchauten Formen gleichsam durch Vermittlung des Auges
betasten, was wie wir sehen werden bey Beurtheilung ihrer
Schönheit in Anschlag kömmt. 10
Es läßt sich aber eine noch ursprünglichere Zusammen-
haltung bepder Sinne nachweisen. Das Auge sieht nämlich
zuerst nichts als Farben und Licht und Schatten, und diese
muß es wie aus einer flachen gewählten Tafel erblicken; da
wo sie sich gegen einander absetzen, erblickt es die Gränze, is
und bekommt also den Umriß einer Figur. Aber erst durch
die Erfahrungen des Gefühls belehrt, kann es wissen wie
die Beleuchtung nach den Veränderungen der Ober- s24ej fläche
sich graduirt und wechselt, wie z. B. eine Kugel sich schattirt,
wie durch Entfernung die Farben sich abdämpsen: es lernt 20
die Lagen der Körper gegen einander, und ihre Formen,
auch nach den von uns weggekehrten Seiten beurtheilen und
glaubt dieß alles unmittelbar zu sehen. Es kann also eine
zwiefache Kunst für den Sinn des Gesichts geben: die,
welche die Formen durch sich selbst darstellt, und die es 25
vermittelst der Farben und der Beleuchtung thut, Plastik und
Mahlerey.
So wie der Raum die Form der äußern Anschauung so
ist es die Zeit für den innern Sinn, dessen Gegenstand alles
wird, was wir aus unfern Zustand beziehen: das eigentlich 30
Zeiterfüllende ist die Empfindung. Den Raum stellen wir
uns nach allen Dimensionen unendlich ausgedehnt vor, die
Zeit nur nach einer: sie gleicht einer unendlichen Linie, und
ihr Fortgang kann am besten unter dem Bilde eines fließen-
den Punktes versinnlicht werden. Die Zeit ist daher keiner 35
Extension eigentlich fähig, sondern nur der Jntension: das
heißt die sie erfüllende Empfindung kann den Graden nach
wirkt es doch nur durch unmittelbare Berührung, nach diesem
Sinne liegt alles auf uns, er würde uns nie eine Vor-
stellung vom leeren freyen Raume geben, da hingegen das
Gesicht uns in die Ferne zu wirken scheint. Erst wenn der
letztgenannte Sinn die körperlichen Objekte aus uns heraus 5
und uns gegenüber gestellt hat, kann auch das Gefühl auf
seine Anschauungen angewandt werden, es kann die entfernten
angefchauten Formen gleichsam durch Vermittlung des Auges
betasten, was wie wir sehen werden bey Beurtheilung ihrer
Schönheit in Anschlag kömmt. 10
Es läßt sich aber eine noch ursprünglichere Zusammen-
haltung bepder Sinne nachweisen. Das Auge sieht nämlich
zuerst nichts als Farben und Licht und Schatten, und diese
muß es wie aus einer flachen gewählten Tafel erblicken; da
wo sie sich gegen einander absetzen, erblickt es die Gränze, is
und bekommt also den Umriß einer Figur. Aber erst durch
die Erfahrungen des Gefühls belehrt, kann es wissen wie
die Beleuchtung nach den Veränderungen der Ober- s24ej fläche
sich graduirt und wechselt, wie z. B. eine Kugel sich schattirt,
wie durch Entfernung die Farben sich abdämpsen: es lernt 20
die Lagen der Körper gegen einander, und ihre Formen,
auch nach den von uns weggekehrten Seiten beurtheilen und
glaubt dieß alles unmittelbar zu sehen. Es kann also eine
zwiefache Kunst für den Sinn des Gesichts geben: die,
welche die Formen durch sich selbst darstellt, und die es 25
vermittelst der Farben und der Beleuchtung thut, Plastik und
Mahlerey.
So wie der Raum die Form der äußern Anschauung so
ist es die Zeit für den innern Sinn, dessen Gegenstand alles
wird, was wir aus unfern Zustand beziehen: das eigentlich 30
Zeiterfüllende ist die Empfindung. Den Raum stellen wir
uns nach allen Dimensionen unendlich ausgedehnt vor, die
Zeit nur nach einer: sie gleicht einer unendlichen Linie, und
ihr Fortgang kann am besten unter dem Bilde eines fließen-
den Punktes versinnlicht werden. Die Zeit ist daher keiner 35
Extension eigentlich fähig, sondern nur der Jntension: das
heißt die sie erfüllende Empfindung kann den Graden nach