345
Universum begreiflich machen. Sie war daher zuvörderst
Physik, nicht im Sinne der bey uns so genannten Erfahrungs-
wissenschaft, sondern als geistige Intuition der ganzen Natur.
Diese ging nun schon durch das Medium der vorhandnen
physischen Mythen, in denen die Einsicht des früheren Menschen- s
gefchlechtes darüber niedergelegt zu seyn schien. Sie blieben
folglich auch das bequemste Vehikel für neue Lehre, da sie
nach der aller Mythologie, wie wir gezeigt, eigenthümlichen
Bildsamkeit, Vieldeutigkeit und gleichsam prophetischen Ahndung
jeder künftigen Stufe, von welcher ans der menschliche Geist m
die Natur ansehen könnte, umgedeutet und allegorisirt werden
konnte. Die älteste Naturphilosophie der Griechen hatte daher
ein durchaus mythisches Kolorit, welches noch im Plato nicht
ganz verschwunden ist, der es freylich auch absichtlich wieder sucht.
-— Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß is
auch die Lehren s19kj der neuesten Physik sich immer noch
in die alten mythischen Bilder würden einkleiden lassen.
Aber auch von dem andern Theile der Philosophie, dem sitt-
lichen, muß die Mythologie als Quelle betrachtet werden. Nicht
nur, daß eine Menge Ansichten von sittlichen Anlagen des Menschen 20
in den Göttercyklus selbst mit ausgenommen waren, daß auch
sittliche Verhältnisse zwischen den Menschen und Göttern festgestellt
wurden, die freylich anfangs nur die Vergeltung solcher Hand-
lungen verkündigten, welche die Götter persönlich betrafen; dann
sie besonders gegen Verbrechen richteten, welche zu verhüten und W
zu strafen die bürgerlichen Einrichtungen am wenigsten Gewalt
haben, als Verletzung der Verträge und des Eidschwurs,
Vergehungen gegen Eltern und Verwandte, Angriffe auf wehr-
lose Fremde und Gastfreunde, Übermuth der Mächtigen u. f. w.;
und die nur bey sortgehender Ausbildung allmählig aus das so
Wohlgefallen der Götter an der Gerechtigkeit, Mäßigung und
einem tugendhaften Leben überhaupt ausgedehnt wurden; —
nicht nur sage ich, daß eine solche Beziehung zwischen Religion
und Sittlichkeit Statt fand; sondern die Mythologie ertheilte
auch schon eine Antwort auf die beyden Fragen, welche s19^ ss
von je und je die Philosophen beschäftigt haben, nämlich über
den Ursprung des Übels und den Zustand nach dem Tode. —
Universum begreiflich machen. Sie war daher zuvörderst
Physik, nicht im Sinne der bey uns so genannten Erfahrungs-
wissenschaft, sondern als geistige Intuition der ganzen Natur.
Diese ging nun schon durch das Medium der vorhandnen
physischen Mythen, in denen die Einsicht des früheren Menschen- s
gefchlechtes darüber niedergelegt zu seyn schien. Sie blieben
folglich auch das bequemste Vehikel für neue Lehre, da sie
nach der aller Mythologie, wie wir gezeigt, eigenthümlichen
Bildsamkeit, Vieldeutigkeit und gleichsam prophetischen Ahndung
jeder künftigen Stufe, von welcher ans der menschliche Geist m
die Natur ansehen könnte, umgedeutet und allegorisirt werden
konnte. Die älteste Naturphilosophie der Griechen hatte daher
ein durchaus mythisches Kolorit, welches noch im Plato nicht
ganz verschwunden ist, der es freylich auch absichtlich wieder sucht.
-— Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß is
auch die Lehren s19kj der neuesten Physik sich immer noch
in die alten mythischen Bilder würden einkleiden lassen.
Aber auch von dem andern Theile der Philosophie, dem sitt-
lichen, muß die Mythologie als Quelle betrachtet werden. Nicht
nur, daß eine Menge Ansichten von sittlichen Anlagen des Menschen 20
in den Göttercyklus selbst mit ausgenommen waren, daß auch
sittliche Verhältnisse zwischen den Menschen und Göttern festgestellt
wurden, die freylich anfangs nur die Vergeltung solcher Hand-
lungen verkündigten, welche die Götter persönlich betrafen; dann
sie besonders gegen Verbrechen richteten, welche zu verhüten und W
zu strafen die bürgerlichen Einrichtungen am wenigsten Gewalt
haben, als Verletzung der Verträge und des Eidschwurs,
Vergehungen gegen Eltern und Verwandte, Angriffe auf wehr-
lose Fremde und Gastfreunde, Übermuth der Mächtigen u. f. w.;
und die nur bey sortgehender Ausbildung allmählig aus das so
Wohlgefallen der Götter an der Gerechtigkeit, Mäßigung und
einem tugendhaften Leben überhaupt ausgedehnt wurden; —
nicht nur sage ich, daß eine solche Beziehung zwischen Religion
und Sittlichkeit Statt fand; sondern die Mythologie ertheilte
auch schon eine Antwort auf die beyden Fragen, welche s19^ ss
von je und je die Philosophen beschäftigt haben, nämlich über
den Ursprung des Übels und den Zustand nach dem Tode. —