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Schliemann, Heinrich
Ilios, Stadt und Land der Trojaner: Forschungen und Entdeckungen in der Troas und Besonderes auf der Baustelle von Troja — Leipzig, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.963#0143

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§1V.|

KUMATOLOGIE.

119

während des ganzen Jahres vor. So ist im Januar der Nordwind
durchschnittlich dreimal häufiger als alle andern Winde zusammen-
genommen, im März ist er um ein Viertel häufiger als die andern
Winde, im Mai, November und December beinahe zweimal, im Juli
mehr als dreimal, im August zweimal häufiger als alle andern Winde
zusammengenommen.

Diese Nordwinde treten fast immer mit grosser Heftigkeit auf; wir
haben während des ganzen Verlaufes unserer trojanischen Ausgrabungen
gar gewaltig unter ihnen zu leiden gehabt.

Die Regenzeit findet hier in den Monaten December, Januar und
Februar statt. Vom Anfang des April bis gegen Ende October regnet
es kaum jemals; während der vielen Sommer, die ich in der Troas zu-
gebracht, habe ich, bis auf ein gelegentliches Gewitter, kaum einen
liegen erlebt.

Die Winter der Troas sind nur selten sehr strenge; die eigentliche
Kälte tritt gewöhnlich erst im Januar ein, und erreicht selten einen
solchen Grad, dass die Flüsse zufrieren. Im Winter 1873 habe ich den
Kalifatli Asmak zugefroren gesehen, den Skamander oder den Simoeis
aber nie. Doch ist manchmal sogar ein Zufrieren des Hellespont
vorgekommen. In den Jahren 7311' und 753-' n. Chr. ist diese Strasse
ganz mit Eis bedeckt gewesen, und aus dem Jahre 755 wird uns das-
selbe sowol von dem Bosporus als auch von dem Hellespont berichtet.3
Tchihatcheff*, dessen Werk ich diese Angaben entnehme, erwähnt
noch mehrere Fälle, in denen ein Zufrieren des Bosporus stattgefunden
hat, nämlich zweimal während der Regierung des Kaisers Romanus
(919—944 n. Chr.), einmal im Jahre 1011, einmal im Jahre 1068 und
endlich einmal im Jahre 1620 n. Chr.

Wol kein Reisender hat das Klima der Troas mit grösserer Aufmerk-
samkeit und genauer beobachtet als P. Barker Webb, der sich in der
folgenden Weise darüber ausspricht:8 „Da die Troas das herrliche Klima
des nördlichen Asiens hat, werden ihre Winter durch die vom Mittel-
ländischen Meere kommenden Südwinde gemildert, während die regel-
mässig wiederkehrenden etesischen Winde, die Homer unter dem poe-
tischen Bilde des durch das Thrakische Meer tobenden Boreas schildert,
die Sommerhitze massigen. Die Fruchtbarkeit der Felder und Thäler,
die von den dem quellenreichen Ida entströmenden Flüssen bewässert
werden; die Abwechselung von Ebene und Bergland, der Reichthum an
Flüssen, die Nähe des Meeres, die reizvolle und malerisoheLandschaft,
welche die Natur allein geschaffen und an der die Kunst keinen An-
theil hat. dies alles erfreut das Auge und regt die Phantasie an — und
so hat die Natur in Bezug auf die Lage des Landes im ganzen ge-
nommen nichts zu wünschen übriggelassen. Hätte dieses Land eine
aufgeklärtere Regierung, stände es nicht unter einer so barbarischen
Herrschaft, so würden an Reichthum und Mannichfaltigkeit der Pro-

1 von Kammer-I"urgstall, „Geschichte
des Osmanischen Reiches" ('>. Aufl.), II, 784.
1 Glyoas, ed. Bon., S. 493.
3 Theopnanee, od. Bon., I, 540 und 670.

1 Aaie Mincure: Descr. phys., S. 70.
s Topographie de la Troade anoiemno
et moderne, 8. HO, 111.
 
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