Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schliemann, Heinrich
Ilios, Stadt und Land der Trojaner: Forschungen und Entdeckungen in der Troas und Besonderes auf der Baustelle von Troja — Leipzig, 1881

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.963#0191

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
L66

TOPOGB \I'1111'. VON Tlio.IA.

L&urentum, sondern vor dieser Stadt in fünf Kreisen herumlaufen lasse.
Dass Virgil hier dem Homer nachahme, ist nicht zu verkennen, ebenso
wenig alier sein Bestreben, sich von ihm zu unterscheiden, um nicht
das den Lesern des Homer schon Bekannte wieder aufzutischen, sondern
i-(\vas Neues zu liefern, was er mit ausserordentlicher Kunst durchge-
führt hat. So konnte er sehr wohl, wenn er den Homer auch ganz wie
die übrigen der Alten verstand, die Umlaufung der Stadt in ein Herum-
laufen vor der Stadt verwandeln.' Wohl zu bemerken ist übrigens, dass
bei ihm der durch eine kurz vorher erhaltene Wunde im
Laufen gehinderte Aineias, bei Homer aber Achilleus in seiner vollen
Kraft, die ihn allen andern Helden an Schnelligkeit überlegen macht,
der Verfolgende ist. mithin bei Virgil ein mehrmaliges Herumlaufen
ohne Einluden in einem Kreise, dessen Ebene kein llinderniss aus-
füllt, möglieh ist, welches bei Achilleus und Hektor nicht möglich
gewesen wäre.''2

Ich kann hinzufügen, dass man sehr leicht um Ilissarlik herumlaufen
und diesen Lauf mit unverminderter Schnelligkeit beenden kann. Die
einzige steile Stelle ist nahe bei dem Theater, hier aber — wie das
Titelbild und Abbildung Nr. l(i zeigen — steigt der Fussweg in schräger
Richtung sanft empor. In diesem Tunkte, wie auch sonst überall,
stimmt also der Homerische Text gut zu Ilissarlik.

Von den Thoren erwähnt der Dichter nur das eine, welches in die
Ebene hinausführte. Er nennt es abwechselnd das Dardanische und
das Skaiiseho (üxatai IlvJXai). Man war immer der Meinung, dass dieser
letztere Farne von der Lage des Thores zur Linken des Augurs herkäme,
der sein Antlitz gen Mitternacht, somit nach Norden wandte und folglich
den Abend oder Westen zu seiner Linken hatte. Indessen stellte der
berühmte < h'ientalist. der verstorbene Professor Martin Hang in München,
der in den trojanischen Inschriften den Namen eines Gottes oder Helden
Sigo oder Siko las, die Ansicht auf3, dass der Name des trojanischen
Thores keineswegs das Adjectiv oxaicj sei, sondern den Namen desselben
Gottes oder Heroen enthalte, den er auch im Namen Skamande», in
dem trojanischen Vorgebirge Sigeion, in Sigia, dem ursprünglichen
Namen des Platzes von Alexandria-Troas, in Sichaios, dem Gemahl der
Dido, den der Troer Aineias besuchte, und in Sigon, einer von Aman1
erwähnten Stadt Phöniziens, erkennt.

Dr. Franz Eyssenhardt schickt mir über das Thor von Troja eine
interessante Abhandlung6, aus welcher ich hier das Folgende mitthcile:
„Die alten Kritiker (Schol. AV zu Dias VIII, 58) haben mit Recht be-
merkt, dass Homer, wo er dieThore(xuXai)derStadt erwähnt, einem andern
Sprachgebrauch als die spätem Schriftsteller folgt und damit die beiden
Thorflügel, also nur ein Thor meint. Als der greise l'riamos auf der
Mauer dem Kampfe zuschaut, heisst er die Wächter das „Thor offen"

1 Dass er Homer ganz wie die übrigen
Alten und ganz wie wir selbst verstand,
zeigt die eben angefahrte Stelle.

2 G. von Eekenbreeher, „Die Lage des
Homerischen Troja", R. 24, 20.

'; ."Siehe seinen Brief aber „Trojanische

Inschriften" in der Beilage zur Augshnrger
Allgemeinen Zeitung, 1. Febr. 1874.

J Anal). II, 13, 8.

' „Sammlung wissenschaftlicher V er-
trage1', von Rud. Virchow und Fr. von
Ilolt/.endurff, 1875. Ser. X, Heft 229.

-::
 
Annotationen