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Schliemann, Heinrich
Ilios, Stadt und Land der Trojaner: Forschungen und Entdeckungen in der Troas und Besonderes auf der Baustelle von Troja — Leipzig, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.963#0524

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VII. KAT\|

HOCHWICHTIGE BEDEUTUNG DER NEPIITUTÄXTE.

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soracb ich auf den vorhergehenden Seiten: ich wiederhole, das

spi

i.,jt Gleich wohltemperirtem Stahl, in
velehem Zähigkeit nur mit so viel Härte
verbunden, als zum Schneiden und zur
Bewahrung einer Schneide nöthig ist,
theilte das Nephritwerk zeug mit dem Werk-
zeug aus Faserkiesel (Fibrolit) eine einzig-
artige Verbindung dieser für eine Waffe
and für ein Arbeitswerkzeng gleich wesent-
lichen Qualitäten.

Ich hin. mein Herr, Ihr gehorsamer
Diener

Nüvil Story-Maskbltne.

Britisches Museum, 30. December 1870.

HBPHRITWERKZBÜGE.

(Aii den Herausgeber der „Times",
15. Januar 1880.)

Mein Herr, — Die interessanten und be-
lehrenden Briefe über Nephritwerkzeuge,
denen Sie kürzlieh in Ihren Spalten Auf-
nahme gewährten, werden hoffentlich die
meisten Ihrer Leser davon überzeugt haben,
dass die Theorie, die ich in meinem am 18.
Dec. in den „Times" veröffentlichten Briefe
aufrecht zu halten versuchte, nicht ganz so
wild war, als sie auf den ersten Blick
scheinen mochte. Was man wilde Theorien
nennt, das sind in vielen Fallen sehr zahme
Theorien. Die Forseher lachen zuerst dar-
über, drehen ihnen den Rücken zu und
versuchen jeden möglichen Ausweg, um
ihnen zu entrinnen. Schliesslich jedoch,
wenn sie auf allen Seiten von Thatsaehen
umringt sind und einsehen, dass kein Ent-
kommen möglieh ist, fügen sie sieh de-
mütig in das Unvermeidliche, und nach
einiger Zeit erkennt man in dem Unver-
meidlichen das Begreifliche und das Ver-
nünftige.

Das Problem der Nephritwerkzeuge ist
wirklich sein- einfach. Die Mineralogen
versichern uns, dass Nephrit ein Mineral
jst, dessen Identität bei richtiger Prüfung
keinen Zweifel zulässt, und mit gleicher
Zuversicht erklären sie uns, dass'Europa
kernen echten Nephrit hervorbringt. Diese
beiden Feststellungen aeeeptire ich als wahr,
»is sie von sachverständigen Autoritäten
»"»geworfen werden. Wenn daher in der
sogenannten Steinzeit Nephritwerkzeuge von
^tesener Arbeit in Kuropa gefunden wer-
(°n, so sehe ich nicht ein, wie wir uns
^ni Schlüsse entziehen können, dass diese
v erkzeuge aus jenen genau bestimmten

'^'leh-n in Asien — Amerika und Neusee-
llll(l darf ich hier wol ausser Betracht
,lss"" - wo der Nephrit allein gefunden
w°rden ist und wo man ihn noch bis auf

;;" heutigen Tag verarbeitet, dortbin ge-
™M worden sind. Einige dieser Gebiete

uu nicht so sehr entfernt, denn echter
; '.,hrit wird im Kaukasus und im Ural
Bünden. Ich leugne nicht, dass es .inen,

zuerst ein wenig sehwindelt, wenn man
einen dieser werthvollen Schaber in die
Hand nimmt und erfahrt, dass dieses näm-
liche Stück das Eigenthnm der ersten Ent-
decker Europas gewesen sein soll. Und
hauptsächlich um diesem Gefühl des Schwin-
dels ein Ende zu machen, wünschte Ich
die Aufmerksamkeit auf eine andere Klasse
ebenso alter, möglicherweise sogar noch
alterer Werkzeuge zu lenken, die ebenfalls
von unsern frühesten Vorfahren aus Asien
nach Europa gebracht wurden und die wir
alltäglich benutzen, ohne uns darüber im
mindesten zu wundern. Ohsehon heute
niemand mehr daran zweifelt, dass unsere
Sprache aus dem Osten kam, so halten
wir uns doch die enge zwischen den alten
und neuen Sprachen bestehende Continuitat
und die ungebrochene Kette, die alle ari-
schen Dialekte von Indien bis Irland zu-
sammenhält, nicht immer gegenwärtig. Wir
wundern uns, wie Nephritwerkzeuge aus
dem Orient herübergebracht worden und
wahrend vieler Jahrtausende, „ehe Taschen
erfunden waren", von Hand zu Hand ge-
gangen sein sollen, und doch kam jedes
Wort unserer Sprache aus dem Osten und
muss Jahrtausende hindurch von Hand zu
Hand gegangen sein, ehe Taschenwörter-
bücher erfunden waren. Wenn wir so
nützliche Werkzeuge nehmen, wie es unsere
Zahlworter sind, und bedenken, welche Vor-
aussetzungen die Thatsaehe nöthig macht,
dass diese Zahlwörter — wenn wir ein
gewisses Maass phonetischer Abnutzung in
Ansehlag bringen, wie der Gebrauch sie
herbeiführt — im Sanskrit und im Engli-
schen dieselben sind, so werden wir uns,
glaube ich, selbst angesichts der Nephrit-
werkzeuge in den schweizer Pfahlbauten
weniger befremdet fühlen. Ja, ieli gehe
noch einen Sehritt weiter. Von allen Zahl-
wörtern von eins bis zehn haben bekannt-
lich allein saptd (sieben) und askfdu (acht)
den Aeeent auf der letzten Silbe. Wenden
wir uns nun von dieser Thatsaehe zum
Alt- und selbst zum Neugriechischen, so
beobachten wir dort genau dieselbe aus-
nahmsweise Betonung. Jeder, der in diese
Tiefe, die sieli so plötzlich vor unsern
Augen auftaut, ohne Zittern hinabschauen
kann, wird bei der Prüfung der wildesten
Theorien, die man auf die in der Schweiz
und in andern Theilen Westeuropas au das
Lieht gebrachten Nephritwerkzeuge gebaut
hat, kaum einen Schwindel fühlen.

Auf die Frage, ob diese Nephritwerk-
zeuge von arischen oder von vorarischen
Ansiedlern nach Kuropa gebracht wurden,
brauche ich hier nicht einzugehen. Gewiss
ist es sonderbar, dass es keine uKarisehe
Bezeichnung für Nephrit gibt, doch fehlt
dafür auch der vorarische oder turanisehe
Name in allen alten indo-europäischen

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