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Julius Schlosser.

7. Der Gedanke des .Klassischen'.

Ist auch der (bekanntlich aus dem Alexandrincrtum
stammende) Ausdruck in dieser Zeit noch nicht gebräuchlich,
die Sache ist bereits längst im Schwange.

Vor allem hat sich die Rolle Italiens als des vorbildlichen
.klassischen' Landes jetzt schon als Dogma festgesetzt, das
durch die Errichtung der Akademien, vor allem der französi-
schen, in seinem Mittelpunkt Rom, offiziell anerkannt wird
und bis tief in das 19. Jahrhundert hinein unbestritten ge-
blieben ist. Die großen römischen Antikenfunde von Anfang
des Cinquecento haben zu diesem Glauben ganz wesentlich bei-
getragen: ilie bei Vasari, Palladio, Armenini u. a. auf-
tauchende Uberzeugung, daß durch den Sacco di Roma von
1527 die wahre .bella maniera' durch ganz Italien verbreitet
worden sei, ist sein charakteristischer Exponent. Der Hochmut,
mit dem diese welsche ,klassische' Kunst auf alles herabsieht,
was die ,barbarische' Kunst jenseits der Alpen, auch in dem
angeblich ,lateinischen' Schwesterland Frankreich hervorge-
bracht hat, ist besonders im Kreis der Architekturtheoretiker,
wie namentlich Scamozzi, merklieh, die sich ja im Besitze des
unfehlbaren und allein seligmachenden Systems der Säulen-
ordnungen fühlen, und so großmutig den Nordländern. auf
manchem untergeordneten Gebiete, wie der Land-
schaft oder in der ,bizarra invenzione' ihrer Graphik ein ge-
wisser Vorrang zugestanden wird, die wahre ,große Manier'
ist doch nur in Italien heimisch und hier zu erlangen, eine
Überzeugung, der die merkwürdige Gruppe der niederländi-
schen Romanisten theoretisch und praktisch in Werk und
Leben Ausdruck gegeben hat; neben van Mander steht hier
das große Beispiel eines Giambologna. Ein Künstler nie
Dürer, der schon durch sein theoretisches Schaffen den Ita-
lienern nahe gerückl ist und ihnen stärksten Eindruck ge-
macht hat, wird dennoch mit naiv anmnßliehem Bedauern
darüber, daß dieser große Geist nicht in Italien geboren wer-
den konnte, abgefertigt, und einem Lomazzo gilt sein Stil
doch im Grunde als barbarisch, ein Wort, das diese Enkel
der Antike auch heule noch gern im Munde führen, wo es
Bich dann freilich oft spaßhaft und weltfremd zugleich ius-

ainunt.
 
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