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Giovio.

175

sehen Stil angestrebt. Da der achtzigjährige Perugino noch als lebend
erwähnt ist, so muß der Dialog vor dessen Todesjahr 1524 angesetzt
werden; recht interessant ist übrigens die Charakteristik, die Giovio
von dem durch die jüngere Generation überholten Altersstil des
Umbrers gibt.

NertSh wichtiger sind aber die Elogien des klassischen Dreigestirns,
an die sich kurze Notizen über andere zeitgenössische Künstler, wie
Cristoforo Solari, Andrea Sansovino, Baccio Bandinelli, Sebastiano del
Piombo, Costa, Tizian, Dosso, Sodoma und die Raffaelschüler Penni
und Giulio, anreihen. Giovios scharf zugespitzte Urteile sind sehr
merkwürdig, weil sie offenbar den Niederschlag der Kunstanschau-
ungen in der führenden Gesellschaft des römischen Zentrums ent-
halten ; gerade in jenem ausführlich begründeten Urteil über Perugino,
dem damals noch lebenden Hauptvertreter des Quattrocento, tritt die
Abwendung von den Idealen der Väterzeit scharf zutage. Mit Giovio
gelangt das Kenner- und Dilettantentum zu Wort, dem wir bei Marc
Anton Michiel und Sabba di Castiglione in weiterer Ausbildung
begegnen werden.

An die historischen Schriften wäre noch, seiner gToßen Gesamt-
anschauung halber, das merkwürdige, dem Raffael zugeschriebene
Gutachten über -die alte und neue Architektur anzuschließen. Wer
immer sein Autor sein mag, jedenfalls spiegelt es die Anschauungen
der römischen Kreise unter Leo X. wider und läßt sich wohl als
eine Art Proömium zu dem großen archäologischen Plan Roms
denken, mit dem sich Raffael getragen hat. Wie im vorhergehenden
Jahrhundert in Manettis Vita des Brunellesco ist auch hier ein Ab-
riß der Entwicklungsgeschichte der Baukunst gegeben, mitten aus der
Begeisterung für die Ruinen Roms und den Vitruvstudien heraus
geschrieben. Die deutsche Baukunst gibt natürlich auch hier den
Sündenbock ab; merkwürdig ist, daß hier, wohl zum erstenmal, jener
später in der deutschen Romantik, ja selbst gelegentlich noch heute
spukende Erklärungsversuch auftritt, der die gotische Architektur
aus der urtümlichen Laubhütte der germanischen Wälder herleiten
möchte. Hier ist die Sache aber wohl, ganz renaissancegemäß, als ein
Gegenbild der vitruvianischen Lehre von der Entstehung der dorischen
Ordnung aus dem primitiven Blockbau aufzufassen.

Dagegen ist die anonyme, von Comolli veröffentlichte Biographie
des Raffael aus der Reihe der Quellenschriften zu streichen, obgleich
sie noch Milanesi in seiner Vasari-Ausgabe für authentisch angesehen
hat. Sie ist nichts als eine plumpe Fälschung, möglicherweise von dem
sonst verdienten Comolli selbst herrührend, so plump, daß Springer
ihre Abhängigkeit von einer bestimmten Vasari-Ausgabe, der römischen
der Bottari von 1759, einwandfrei nachweisen konnte.
 
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