Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
406

Die Kunsttheorie des Manierismus in ihren Grundzügen.

Im engsten Zusammenhang" damit steht das Bestreben nach einer
Idealnorm. Am einseitigsten ist es wohl durch Lomazzo vertreten,
der ein theoretisches Idealbild Adam und Eva, nach »klassischen«
Prinzipien geformt, vorführt. Beim Adam ist die Zeichnung von
Michelangelo, das Kolorit von Tizian, Proportion und convenienza
von Raffael genommen; die Eva hat Raffael gezeichnet, Correggio
gemalt. Praktisch erkannte aber selbst ein Schulmeister wie dieser
Lomazzo das künstlerisch Unzureichende solcher Kompromißbildungen,
und er hat auch Einsicht genug zu tadeln, daß eine Figur im Kopf
nach antiken Statuen, im Gewand nach einem Stich, in den Händen
nach den Atelierabgüssen Michelangelos zusammengepfuscht werde.
Es ist aber gleichwohl das Verfahren, das die Formengebung der
»Manieristen« mit ihren Anleihen bei allen möglichen Stilmustern,
ihren bewußten und unbewußten Reminiszenzen einer künstlerisch
fast übersättigten Zeit für uns vielfach so unerfreulich macht. Auch
in der Poesie dieser Periode merklich, ist es jedenfalls mit ihrer
offiziellen Theorie durchaus im Einklang. Wenn ein Tasso etwa einen
sarazenischen Abgesandten mit der Geste des altrömischen Orators,
der Krieg und Frieden in den Falten seiner Toga birgt, auftreten
läßt, so handelt er genau so wie ein beliebiger Manierist, der die
Aurora der Mediceergräber oder einen der antiken Rossebändiger
als Füllfigur seiner »Historie« einverleibt.
 
Annotationen