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IV. Die Kunsttheorie des l8. Jahrhunderts außerhalb Italiens.
Steinbach mit einer scharfen Kritik zu antworten. An dem glänzenden
Mittelpunkt des deutschen Rokoko hat er unentwegt dem Banner des
nüchternsten Klassizismus norddeutscher Art Gefolgschaft geleistet,
gegen die wunderlichen Grillen des Modegeschmacks gewettert und
mit der Aufklärerei des Franzosen Cordemoy sich durchaus sinnes-
verwandt gefühlt. So behauptet die alte strenge und objektivistische
Theorie und Praxis wie mit seinem Landsmann Mengs noch der auf-
dämmernden Romantik gegenüber das Feld.
Der gerade erwähnte Christian Ludwig von Hagedorn, der
heute vergessene Bruder des bekannten Fabeldichters, stammt aus
dem Kreise der Kenner, Sammler und Liebhaber — er hat gleich
dem Leipziger Professor Christ als Radierer dilettiert. Die von ihm
herausgegebenen Betrachtungen über die Mahlerey wurden zu ihrer
Zeit hoch geschätzt und sie gehören auch wirklich zu den besten Er-
zeugnissen des 18. Jahrhunderts auf diesem Gebiet; ihr Verfasser hatte
als Generaldirektor der schönen Künste in Sachsen den Rückhalt einer
angesehenen Stellung und vielfacher Erfahrung. Besonders lehrreich
für den Geist des 18. Jahrhunderts sind seine Versuche, sich kritisch
nachschaffend der Landschaft zu bemächtigen, die ein halbes Jahr-
hundert später der junge Feuerkopf 0. Runge in Hamburg als das
wahre, ja einzige Thema moderner Kunst ausrufen wird. Darin berührt
sich der aus diplomatischer Laufbahn hervorgegangene Weltmann
Hagedorn mit dem Schweizer Salomon Gessner, dessen Idyllen, von
ihm selbst mit feinen Kupfern ausgestattet, damals in der ganzen
europäischen Welt mit Vergnügen, gelesen wurden. Sein an Füessli
gerichteter Brief Über die Landschaftsmalerei, der die eingehende
Schilderung seines eigenen Studienganges enthält, ist gleichfalls eine
echte Urkunde des 18. Jahrhunderts und seiner schwärmerischen Natur-
liebe, die aus Gessners Idyllen selbst in ihrer antikisch-sentimentalen
Form liebenswürdig genug spricht. Aus seiner Heimat, der Schweiz,
ist ja nicht nur das berühmteste Beispiel »malender« Naturbetrachtung,
Hallers Alpen, gekommen, sondern hier hatte auch jene Züricher
Literatengesellschaft ihren Sitz, die in Bodmers und Breitingers
Discoursen der Mahler (1721) wie in ihren sonstigen Werken sich mit
bewußter Absicht der Formeln und Kategorien bediente, die sich die
Theorie der bildenden Kunst längst zurechtgelegt hatte.
Wenigstens mit einem Worte soll hier aucli des bescheidenen
literarischen Anteils Österreichs an der Literatur der bildenden
Künste gedacht werden, um so mehr, als es, schöpferisch gerade auf
diesem Gebiete so ungemein begabt und tätig, sonst stumm bleibt.
Freilich sind die Lesefrüchte, die der aus Schwaben gebürtige, doch
ganz im theresianischen Wien eingebürgerte Jesuit Friedrich Christian
Scheyb (f 1777) unter den Decknamen Köremon und Orestrio (1770
IV. Die Kunsttheorie des l8. Jahrhunderts außerhalb Italiens.
Steinbach mit einer scharfen Kritik zu antworten. An dem glänzenden
Mittelpunkt des deutschen Rokoko hat er unentwegt dem Banner des
nüchternsten Klassizismus norddeutscher Art Gefolgschaft geleistet,
gegen die wunderlichen Grillen des Modegeschmacks gewettert und
mit der Aufklärerei des Franzosen Cordemoy sich durchaus sinnes-
verwandt gefühlt. So behauptet die alte strenge und objektivistische
Theorie und Praxis wie mit seinem Landsmann Mengs noch der auf-
dämmernden Romantik gegenüber das Feld.
Der gerade erwähnte Christian Ludwig von Hagedorn, der
heute vergessene Bruder des bekannten Fabeldichters, stammt aus
dem Kreise der Kenner, Sammler und Liebhaber — er hat gleich
dem Leipziger Professor Christ als Radierer dilettiert. Die von ihm
herausgegebenen Betrachtungen über die Mahlerey wurden zu ihrer
Zeit hoch geschätzt und sie gehören auch wirklich zu den besten Er-
zeugnissen des 18. Jahrhunderts auf diesem Gebiet; ihr Verfasser hatte
als Generaldirektor der schönen Künste in Sachsen den Rückhalt einer
angesehenen Stellung und vielfacher Erfahrung. Besonders lehrreich
für den Geist des 18. Jahrhunderts sind seine Versuche, sich kritisch
nachschaffend der Landschaft zu bemächtigen, die ein halbes Jahr-
hundert später der junge Feuerkopf 0. Runge in Hamburg als das
wahre, ja einzige Thema moderner Kunst ausrufen wird. Darin berührt
sich der aus diplomatischer Laufbahn hervorgegangene Weltmann
Hagedorn mit dem Schweizer Salomon Gessner, dessen Idyllen, von
ihm selbst mit feinen Kupfern ausgestattet, damals in der ganzen
europäischen Welt mit Vergnügen, gelesen wurden. Sein an Füessli
gerichteter Brief Über die Landschaftsmalerei, der die eingehende
Schilderung seines eigenen Studienganges enthält, ist gleichfalls eine
echte Urkunde des 18. Jahrhunderts und seiner schwärmerischen Natur-
liebe, die aus Gessners Idyllen selbst in ihrer antikisch-sentimentalen
Form liebenswürdig genug spricht. Aus seiner Heimat, der Schweiz,
ist ja nicht nur das berühmteste Beispiel »malender« Naturbetrachtung,
Hallers Alpen, gekommen, sondern hier hatte auch jene Züricher
Literatengesellschaft ihren Sitz, die in Bodmers und Breitingers
Discoursen der Mahler (1721) wie in ihren sonstigen Werken sich mit
bewußter Absicht der Formeln und Kategorien bediente, die sich die
Theorie der bildenden Kunst längst zurechtgelegt hatte.
Wenigstens mit einem Worte soll hier aucli des bescheidenen
literarischen Anteils Österreichs an der Literatur der bildenden
Künste gedacht werden, um so mehr, als es, schöpferisch gerade auf
diesem Gebiete so ungemein begabt und tätig, sonst stumm bleibt.
Freilich sind die Lesefrüchte, die der aus Schwaben gebürtige, doch
ganz im theresianischen Wien eingebürgerte Jesuit Friedrich Christian
Scheyb (f 1777) unter den Decknamen Köremon und Orestrio (1770