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Grundlegung
punkt der ganzen Periode, um ebenso in schnellerem Verlauf, wenn
auch nicht selten mit Zögerungen und Wendepunkten dazwischen, aus-
zugehen bis an das Ende, das ihr gesetzt ist. In den optischen Er-
scheinungen des Sehfeldes genügt ein Wechsel im Tageslicht, um
die ganze Verteilung des Hell und Dunkel zu verschieben und damit
auch eine andre Dynamik der Systole und Diastole hervorzubringen.
Die rhythmische Bewegung unsrer schweifenden Blicke beschreibt
auf der Fläche unsres Gesichtsfeldes ganz ähnliche Kurven, wie wir
in graphischer Darstellung des Empfindungslaufes beim menschlichen
Gange gewinnen, immer mit der Neigung zu längerem Anstieg von
links nach rechts und schnellerem Abfall auf der andern Seite, da-
gegen bei der Umkehr des gewohnten Vollzugs nicht ohne merkbare
Mühe von rechts nach links zurück. Erst bei weiterem Abstand, gegen-
über dem Fernbilde vollends, pflegt dieser Widerstand der rechts-
läufig eingeübten Organe zu verschwinden, und erweist damit in der
ausschließlich optischen Region auf freier Höhe auch alles, was dort
auftritt, als körperlosen Augenschein.
So lange jedoch unser Augenpaar, leise abwärts geneigt, mit den
standrechten Dingen auf dem Boden um uns her beschäftigt ist, be-
hauptet das Sehen auch in abtastender Nähe seinen normalen Ver-
kehr mit der Körperlichkeit, auf gründ der ursprünglich derberen
Rechnung mit Druck und Stoß, mit Schwere und Widerstand. Und
dies ist gewiß immer zunächst das gewöhnliche Verhältnis, das wir
auch beim Eintritt in das Lang’haus der Basilika den Säulen gegen-
über, nun links und rechts zugleich, gewinnen. Wohl aber stellt sich
hier beim Durchschreiten der Mitte in gleichem Abstand von den
Parallelreihen, den wir annehmen müssen, eine entscheidende Ab-
wandlung gegen die frühere, aus der Nähe genommene Auseinander-
setzung mit der einen Seite der Arkaden ein. Der Abstand beider
Reihen von einander wird, schon in altchristlichen Basiliken größeren
Zuschnitts, so beträchtlich, daß die optische Aufnahme die Oberhand
bekommt und die tastbare Wirkung der Körper immer mehr zurück-
treten läßt. Das ist ein wichtiger Gradmesser für die Tatsachen, die
wir „Auflösung des Materiellen“ nennen mögen. Aber seit dem Ein-
tritt in das eigentliche Mittelalter haben wir es nicht mehr mit der
altchristlichen Basilika, als dem idealsten Raumgebilde aus der Über-
gangszeit von der Spätantike her, zu tun, sondern mit den Anfangsstadien
des romanischen Stils oder Vorbereitungen dazu, deren beschränkte
Räumlichkeit eine ganz andre Sinnesart beurkundet. Die Rückkehr
zur Enge und zum schwerfälligen Aufbau der untersetzten Glieder,
Grundlegung
punkt der ganzen Periode, um ebenso in schnellerem Verlauf, wenn
auch nicht selten mit Zögerungen und Wendepunkten dazwischen, aus-
zugehen bis an das Ende, das ihr gesetzt ist. In den optischen Er-
scheinungen des Sehfeldes genügt ein Wechsel im Tageslicht, um
die ganze Verteilung des Hell und Dunkel zu verschieben und damit
auch eine andre Dynamik der Systole und Diastole hervorzubringen.
Die rhythmische Bewegung unsrer schweifenden Blicke beschreibt
auf der Fläche unsres Gesichtsfeldes ganz ähnliche Kurven, wie wir
in graphischer Darstellung des Empfindungslaufes beim menschlichen
Gange gewinnen, immer mit der Neigung zu längerem Anstieg von
links nach rechts und schnellerem Abfall auf der andern Seite, da-
gegen bei der Umkehr des gewohnten Vollzugs nicht ohne merkbare
Mühe von rechts nach links zurück. Erst bei weiterem Abstand, gegen-
über dem Fernbilde vollends, pflegt dieser Widerstand der rechts-
läufig eingeübten Organe zu verschwinden, und erweist damit in der
ausschließlich optischen Region auf freier Höhe auch alles, was dort
auftritt, als körperlosen Augenschein.
So lange jedoch unser Augenpaar, leise abwärts geneigt, mit den
standrechten Dingen auf dem Boden um uns her beschäftigt ist, be-
hauptet das Sehen auch in abtastender Nähe seinen normalen Ver-
kehr mit der Körperlichkeit, auf gründ der ursprünglich derberen
Rechnung mit Druck und Stoß, mit Schwere und Widerstand. Und
dies ist gewiß immer zunächst das gewöhnliche Verhältnis, das wir
auch beim Eintritt in das Lang’haus der Basilika den Säulen gegen-
über, nun links und rechts zugleich, gewinnen. Wohl aber stellt sich
hier beim Durchschreiten der Mitte in gleichem Abstand von den
Parallelreihen, den wir annehmen müssen, eine entscheidende Ab-
wandlung gegen die frühere, aus der Nähe genommene Auseinander-
setzung mit der einen Seite der Arkaden ein. Der Abstand beider
Reihen von einander wird, schon in altchristlichen Basiliken größeren
Zuschnitts, so beträchtlich, daß die optische Aufnahme die Oberhand
bekommt und die tastbare Wirkung der Körper immer mehr zurück-
treten läßt. Das ist ein wichtiger Gradmesser für die Tatsachen, die
wir „Auflösung des Materiellen“ nennen mögen. Aber seit dem Ein-
tritt in das eigentliche Mittelalter haben wir es nicht mehr mit der
altchristlichen Basilika, als dem idealsten Raumgebilde aus der Über-
gangszeit von der Spätantike her, zu tun, sondern mit den Anfangsstadien
des romanischen Stils oder Vorbereitungen dazu, deren beschränkte
Räumlichkeit eine ganz andre Sinnesart beurkundet. Die Rückkehr
zur Enge und zum schwerfälligen Aufbau der untersetzten Glieder,