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Schmarsow, August
Kompositionsgesetze in der Kunst des Mittelalters: Band 4 : Darstellende Künste, Teil 2 — Forschungen zur Formgeschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 7: Bonn, Leipzig: Schroeder, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.66533#0092
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82 III. Darstellendes Bildwerk.
Scherge als Angreifer links, dem Verteidiger Petrus gegenüber, und
packt mit hastiger Bewegung des linken Arms über Malchus hin
den Rabbi, den sie suchen. Ein Gefährte leuchtet dabei mit einem
Feuerbrand und versetzt damit den ganzen Auflauf in die Finsternis
der Nacht, während im Hintergründe das angstvoll dreinschauende
Gesicht des Johannes und der herrliche Greisenkopf des fliehenden
Andreas sichtbar werden. — So schlingen sich die verschiedenen
Momente der Handlung in einen einzigen Gesamtauftritt zusammen,
in dem nur die jähe Tat des Getreuen den Vorrang behauptet, weil
sei es die Teilnahme des Künstlers für den kühnen Apostel über-
wog, sei es die Hervorhebung dieses Schutzpatrons der Naumburger
Kirche besonders verlangt war. Für die letzte Erklärung fällt wohl
die Aufnahme der nächsten Episode ins Gewicht, bei der Christus
völlig weggeblieben ist: die Verleugnung durch Petrus im Hofe
des Palastes.
Das Giebeldreieck des Portales schneidet eine Ecke der Bild-
fläche ab, und in dem schräg begrenzten Stück, das übrig bleibt,
hat nur die stehende Magd und Petrus, wie Stufen hinansteigend,
im Entweichen vor ihr Platz gefunden. Auch sie beide sind sprechend
bewegte Gestalten. Die hurtige Magd legt dem Ertappten die Hand
auf die Schulter und wendet sich, indem sie ihr Kleid im Zuschreiten
aufhebt, in lebhafter Drehung nach links, um ja die Aufmerksam-
keit der Wache auf den Gefolgsmann des Gefangenen zu lenken. —
Nur Füllfiguren sind auf der andern Seite des Giebels die beiden
Kriegsknechte, die dem gegebenen Rande gemäß hinabsteigen. Der
Eine mit blankem Schwert auf der Schulter lehnt wenigstens gegen
die Treppe, auf die er den einen Fuß gesetzt hat, während der Ober-
körper sich nach rechts zu dem Gefährten beugt, der seinerseits,
mit langer Lanze im Arm soeben im Begriff ist, nach rechts hin
abzugehen. Sie bestimmen also für das Auge des Betrachters sofort
die Richtung, die auf dieser Seite durchgeht und die Lage des
Schwerpunktes in allen Reliefs nach rechts verschieben muß. Sie
sind, wie ihre Spitzhüte bezeugen, als jüdische Häscher gedacht, die
Christus aus dem Hause des Hohepriesters weggeführt haben zum
Palaste des römischen Landpflegers und nun in der Vorhalle bleiben,
indes ihr Hauptmann mit Christus ins Innere trat.
Diese Szene selbst, Christus vor Pilatus, im anstoßenden
Relief, erscheint fast wie ein Gegenstück zur Auszahlung der Silber-
linge auf der andern Seite. Wie dort der Hohepriester links, sitzt
der Landpfleger rechts auf kurulis ehern Stuhle, während die Juden,
mit Christus in ihrer Mitte zur Seite harren. Es ist der Augenblick
 
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