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Schmidt, Alfred Max
Zur Entwickelung des rhythmischen Gefühls bei Uhland: (Einleitung und Th. 2) — Altenburg S.-A.: Unger, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.71757#0011
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— 11 —

Einzeleindrücken, bei der die Zahl der Glieder sämtlicher untergeordneter Gruppen
irn rechten Verhältnis zum Umfange unseres Bewußtseins stehen muß. Dann
aber ist sie abhängig vor allem von der Regelmäßigkeit nnd Vollständigkeit eines
Systems von Unterordnungen der Einzeleindrücke, infolge deren je eine kleinere
Gruppe immer wieder als Teilglied der nächst größeren erscheint. Durch die
Vollständigkeit dieser ordnenden Tätigkeiten wird die organische Geschlossenheit,
durch die Regelmäßigkeit derselben die Durchsichtigkeit der Strophen bedingt. Nach
diesen beiden nahe miteinander zusammenhängenden Beziehungen betrachten wir
die Strophenformen bei Uhland in einem ersten Abschnitte.
Nächst der organischen Geschlossenheit nud Durchsichtigkeit der rhythmischen
Form der Gedichte liegt die Eigenart ihrer rhythmischen Wirkung sodann in einer
zweiten Grnppe vou Ursachen begründet. Letztere ergeben sich nnmittelbar aus
der Natur des Rhythmus, sofern sein Wesen Wechsel in der Dauer der Eindrücke
ist. Wie bei einer Aufeinanderfolge von zwei absolut gleicheu Töueu für uuser
Ohr keinerlei Anlaß gegeben ist, beide aufeinander zu beziehen, so gilt das auch
sür alle höheren rhythmischen Einheiten bis zur Stropheuemheit hin. Dadurch aber,
daß die eine Einheit nicht die vollständig gleiche Wiederholung der vorhergehenden
darstellt, treten solche beziehende Tätigkeiten ein. Die differenzierenden Stellen
wirken bei der den assoziativen Vorstellungsläufen eigenen Tendenz zur Beharrlichkeit
als Überraschungen, in denen zugleich der Antrieb gegeben ist, beide ungleichen
Glieder zu einer höheren Einheit zu vereinigen durch gegenseitige Unter- bezw.
Überordnung. In welcher Weise Uhland von der Anwendung der zahlreichen,
das Spiel dieser intellektuellen Tätigkeiten hervorrufenden Mittel Gebrauch macht,
wird untersucht in dem zweiten Abschnitte, der den Formenreichtum und -wechsel
innerhalb der Strophen behandelt. Hier ist zunächst die Beschaffenheit der Aus-
gänge als der charakteristischsten Stellen im Verse zu untersuchen, sodann die des
Versinnern, und zwar sind da zu berücksichtigen: 1. die Verhältnisse der Takt-
füllung, 2. der Abstufung der Akzente gegen einander. — Nun steht aber der
Formenreichtum der Strophen stets in gewissen Beziehungen zum Inhalte der-
selben. Es wäre daher falsch, diese Verhältnisse nur uuler dein rein rhythmischen
Gesichtspunkte zu betrachten, hinzu muß konnueu der rhythmisch-logische Gesichts-
punkt der Betrachtung. Beide Arten der Betrachtung aber Halten wir in diesen
Abschnitten nicht etwa einer bestimmten Disposition zu liebe künstlich auseinander,
sondern verknüpfen sie organisch mit einander, soweit sich uns Gelegenheit dazu
bietet.
Ihre eigentliche Erledigung aber findet die Untersuchung der rhythmisch-
logischen Beziehungen in Uhlands Gedichten im zweiten Teil der Arbeit. Hier
wird also behandelt der Rhythmus als siuulicher Eiudruek iu seiuem Verhältnisse
zum Juhalt. Als eine Art Übergaugsbetrachtuug fügen wir hier ein als Ab-
schnitt 3 die Besprechung über den Akzentfall der Verse bei Uhland (Auftakt uud
Auftaktlosigkeit). Als Übergangsbetrachtung erscheint dieser Abschnitt, denn der
Auftakt hat einerseits eine rein rhythmische Wirkung. Liegt nämlich der Akzent
 
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