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Schmidt, Alfred Max
Zur Entwickelung des rhythmischen Gefühls bei Uhland: (Einleitung und Th. 2) — Altenburg S.-A.: Unger, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.71757#0028
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— 28 —

also zwischen rhythmischen und logischen Einzelglicdern muß eiu bestinmrtes Ver-
hältnis bestehen: Harmonie und Disharnionie, Parallelismus oder Antagonismus.
Wie liegen diese Verhältnisse bei Uhland? Wir greifen zunächst, in chronologischer
Folge, eine Anzahl konkreter Fälle Heraus. 1801: „Zufriedenheit" (2, 216).
Uhland will hier ein Lob der auf „Tugend" begründeten Zufriedenheit geben.
Dazu braucht er 14 achtzeilige Stropheu mit fünftaktigen anftaktlosen Reihen.
Dein Ganzen liegt ein dreiteiliger Inhalt zu Grunde:
1. Der Greis, ein Bild der Zufriedenheit.
2. Des Jünglings Frage nach der Ursache derselben.
3. Des Alten Antwort: Tugend macht zufrieden.
Volle drei Strophen braucht der junge Uhland hier allein zur Schilderung
der Situation im allgemeinen und zur Einführung des Greises ohne jede Be-
ziehung auf den eigentlichen Inhalt. Die vierte Strophe endlich zeichnet ein
Bild des Alten im Sinne des ersten der angegebenen Gedanken. Die fünfte
Strophe enthält die Frage des Jünglings, das zweite Motiv. Nun aber müssen
noch neun Strophen der Ausführung der letzten der drei Gedankengruppen
dienen. Ganz ohne Gleichmaß find auch die Gedankengruppen innerhalb dieses
dritten Teils:
Strophe 6:
Die Zurechtweisung des Jünglings durch deu Greis.
Strophe 7—11:
Ein negatives Beispiel: Der unglückliche reiche Bösewicht.
Strophe 12—14:
Ein positives Beispiel: Ich glücklicher braver Armer.
Es ist zu bemerken, daß am Schlüsse jeder Strophe ein syntaktischer Abschluß
erreicht wird. Bei dieser Art von Gedichten ist es freilich relativ leicht, das zu
stande zu bringen, denn hinsichtlich der Strophenform ist in dieser Zeit Uhlands
Grundsatz: Möglichst umfangreich! Die Gedanken aber, die diese Formen füllen
follen, find kurz und unbedeutend. Somit ist die Gefahr, daß einzelne Gedanken
über die Strophengrenze hinausreichen, sehr gering, viel öfters handelt es sich
darum, Gedankenglieder zu variiereu, zu wiederholen, Flickwvrte, ganze Flickverse
zu schassen — die damals von Uhland wohl kaum als solche empfunden wurden — ,
um die weitläufigen Formen überhaupt zu füllen. Diefe Gedankenarmut in
Verbindung mit dem Wortreichtum wirkt aber unmittelbar schädigend auf den
Rhythmus solcher Dichtungen. Sie weckt das Gefühl, daß hier derselbe mehr
um seiner selbst willen als um des Inhalts willen da sei, mehr neben letzterem
Herlaufe als ihu durchdriuge und charakterisiere, das Gefühl des Herunterklapperns
des Rhythmus stellt sich ein. Ähnliche Beobachtungen laffen sich an der großen
 
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