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Schmidt, Richard
Fakire und Fakirtum im alten und modernen Indien: Yoga-Lehre und Yoga-Praxis nach den indischen Originalquellen — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.2370#0141
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— 109 —

Andere Versuche:

Wir schütteten feinen Sand auf den Fußboden und gaben
ihm eine möglichst ebene Oberfläche, dann setzte ich mich, mit
Papier und Bleistift versehen, an meinen Tisch. Der Fakir nahm
ein Stück Holz und legte es vorsichtig auf den Sand. —

,Gib acht!' sagte er, ,wenn das Holz sich von selber auf-
richtet und du beschreibst sodann mit dem Bleistift auf dem
Papier beliebige Figuren und Arabesken, so wird es unten auf
dem Sand genau dieselben Bewegungen machen.' — Hierauf
streckte er wieder seine Hände aus, und nach wenigen Minuten
schon richtete sich das Holz, so wie er gesagt hatte, auf. Jede
Figur, mochte sie noch so wirr und verzwickt sein, die ich nun
auf mein Papier zeichnete, wurde in demselben Augenblick unten
auf dem Fußboden von dem Holzstab in den Sand gegraben. —-
Hielt ich still, so hielt auch der Stab inne. Der Fakir stand
währenddessen weit davon entfernt an der Wand, und wenn
ich auch die Figuren, die ich zeichnete, sorgfältig mit der
Hand verbarg, so störte das das Phänomen dennoch nicht im
geringsten.

Schließlich forderte mich Govinda auf, irgend welche Worte
in Sanskrit zu denken, und sofort schrieb das Holz: Adicete
Veikountam Haris (Vischnu schläft auf dem Berge Eikonta),
genau, wie ich es mir gedacht hatte.

*

Vor dem Ausgang lag ein Garten, in dessen Mitte ein Hindu-
wasserträger vermittels eines über eine Rolle laufenden Seiles
Wasser aus dem Brunnen schöpfte. — Govinda streckte, ohne
daß ihn der Hindu sehen konnte, seine Hände aus, und die Folge
war, daß der Wasserträger das Seil nicht mehr bewegen konnte,
trotzdem er alle seine Kraft aufbot. Wie die abergläubischen
Hindu stets in Situationen, die ihnen auffallend scheinen, zu
tun pflegen, so begann auch dieser sofort die volkstümlichen
Formeln gegen die bösen Geister herzusagen, kaum aber hatte
er den Mund geöffnet, als ihm auch schon die Worte in der Kehle
stecken blieben und er keinen Ton herausbrachte. Erst als
Govinda die Hände sinken ließ, drehte sich auch die Wasser-
rolle wieder."
 
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