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Schmidt, Georg [Bearb.]; Böcklin, Arnold [Ill.]
Arnold Böcklin - Pan — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 85: Stuttgart: Reclam, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.65323#0014
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lerei“ bedeutet, als künstlerische Gesinnung, Realismus,
in den künstlerischen Mitteln aber die Abwendung vom
akademischen Naturalismus des Empire und des Bie-
dermeier: die Auflösung des zeichnerischen Details und
der tastbaren Stofflichkeitsillusion im Licht und in der
lichtgesättigten Atmosphäre. Im Jahre 1839 fand in
Berlin eine Ausstellung des englischen Freilichtmalers
John Constable (1776-1837) statt: Constable hat Menzel
zu seinen souverän pleinairistischen Bildern der 1840er
Jahre befreit. In Paris hätte Böcklin im Salon 1849 Cour-
bets großes „Aprcs-diner & Omans“, das erste und viel-
leicht genialste Dokument seines neuen malerischen Rea-
lismus, sehen können . ..
Die Abwendung vom Radikalismus der 1840er Jahre
ist jedoch keineswegs ein Böcklinscher Sonderfall, sie ist
vielmehr der Weg der wichtigsten Maler, Dichter, Mu-
siker der zwischen 1820 und 1830 geborenen Generation:
Puvis de Chavannes (geb. 1824), GustaveMoreau (1826),
Rossetti (1828), Feuerbach (1829), C. F. Meyer (1825),
Anton Bruckner (1824) — sie alle sind Träger der rück-
läufigen, konservativen Bewegung der 1850er Jahre.
Nach Basel zurückgekehrt, hat Böcklin seine Schwei-
zer Gebirgslandschaften weitergemalt, wie wenn er Co-
rot und Delacroix nie gesehen hätte. Jakob Burckhardt,
gewiß froh, daß sein junger Malerfreund vom bösen
48er-Radikalismus so gründlich geheilt war, empfahl
ihm, seine Studien in Italien fortzusetzen. Im Frühjahr
1850 ist Böcklin in Rom eingetroffen — und sogleich sind
die düsteren, lichtlosen Tannen von lichtdurchfluteten
Eichen verdrängt worden (Abb. 2). So nah und so genau
wie noch kaum je ein Maler vor ihm hat Böcklin die
römische Landschaft ins Auge gefaßt, als Schauspiel des
harten Kampfes zwischen der Wachstumskraft von Baum,
Busch und Gras mit der unfruchtbaren Kahlheit von Fels
und ausgeschwemmter Erde, als Schauspiel des Ringens
zwischen blendendem Licht und kühlendem Schatten, in
jähen Kontrasten und in hundertfachen Zwischentönen.
In kürzester Zeit hat Böcklin sich mit Anschauung süd-
licher Vegetation, südlicher Erde und südlichen Lichtes
förmlich vollgesogen.

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