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Schmidt, Georg [Bearb.]; Böcklin, Arnold [Ill.]
Arnold Böcklin - Pan — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 85: Stuttgart: Reclam, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.65323#0016
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liebenswertesten Bilder sind die „Maipfeifen schneiden-
den Kinder“ von 1865 in der Oskar-Reinhart-Stiftung,
Winterthur. Allbekannt ist aber auch, daß Angela im
Atelier ihres Mannes keine Modelle duldete.
Dieses Tabu, das Angela vor ihrem Manne errichtet
hat, ist für Böcklins Kunst — nicht nur im Thematischen,
sondern bis tief in die künstlerischen Ausdrucksmittel —
so folgenschwer gewesen, daß wir den ausführlichen Be-
richt hierüber bei Fleiner nicht ernst genug bedenken
können (S. 21 f.):
„Böcklin sprach von seiner Frau nie anders als in den
Ausdrücken des höchsten Lobes. Er hatte für sie eine
bleibende, unauslöschliche Dankbarkeit. Eines nur war
ihm schmerzlich: Die Gattin war als Italienerin von Ei-
fersucht gegen Modelle besessen, so daß sie es selbst als
gealterte Matrone nicht dulden wollte, daß der bereits
über die Jugendtorheiten hinausgekommene greise Künst-
ler sich ein Modell ins Atelier kommen ließ. ,Das ist die
Tragik meines Lebens', sagte mir einmal auf einem nächt-
lichen Spaziergang Böcklin. ,Ohne Modell schaffen, ist
für mich fast unmöglich. Ich kann das nicht geben, was
ich will, und muß nachher die Vorwürfe der Kritik hö-
ren. Aber, was wollen Sie? Meine Frau lehnt sich da-
gegen auf! Eine Umstimmung habe ich oft versucht: sie
ist unmöglich. Lachen Sie nicht darüber! Meine liebe Frau
hat für mich so viel durchgekämpft und geduldet; sie
war in schweren Zeiten, als mich alles verließ, mein ein-
ziger Kamerad ... Sie würde ein Modell in meinem Ate-
lier als eine persönliche Beleidigung aufnehmen. Seinen
besten Kameraden beleidigt man nicht!... Darum ertrage
ich jeden Tadel, wenn geschrieben wird: Das Bild Böck-
lins schreit nach Modellen. Ich schulde und dulde.“ Das
waren Böcklins eigene Worte.“
Die äußerlichste Folge dieses Tabus ist es, daß Böcklins
Frauenakte sich sehr bald in einen allgemeinen Idealty-
pus verflüchtigt haben. Viel wichtiger aber ist der Ein-
fluß, den dieses Tabu auf Böcklins malerische Sensibilität
gehabt hat. Auf der einen Seite wird ein zunehmender
Trieb spürbar, alles Gegenständlich-Stoffliche, mit Aus-
nahme des weiblichen Körpers, bis zur äußersten Tast-

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