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Interessengemeinschaft Fortschrittlicher Künstler Hessens <Darmstadt> [Hrsg.]; Städtisches Ausstellungsgebäude auf der Mathilden-Höhe <Darmstadt> [Hrsg.]; Darmstädter Sezession [Hrsg.]; Darmstädter Gruppe [Hrsg.]
Der schöne Mensch in der neuen Kunst: internationale Ausstellung, 16. Juni bis 6. Oktober 1929, Darmstadt, Mathildenhöhe, Städtisches Ausstellungsgebäude — Darmstadt, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.24097#0050
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DER KÖRPER IN DER NEUEN KUNST

VON R. COGNIAT, PARIS

Es ist wenig wahrscheinlich, daß die modernen Kunstwerke gestatten, einen
modernen Kanon des menschlichen Körpers aufzustellen, im Gegensatz
zu dem griechischen Kanon.

Die Kunst hat den Gegenstand geändert, zum mindesten in dem Bemühen
um die Schönheit.

Früher war die Schönheit (oder versuchte es zu finden) ein festes Maß in
der Beziehung gewisser Formen und gewisser Linien, die durch die genaue
Darstellung eines Gegenstandes oder eines Körpers bestimmt waren. Wenn
man heute diese ideale Beziehung der Formen und Linien sucht, so ge-
schieht es auf einem unabhängigeren Plan, jenseits der genauen Darstellung
der Gegenstände.

Die Gegenstände haben besonders einen suggestiven Wert, der mensch-
liche Körper sowohl wie die anderen.

In der modernen Malerei wird der menschliche Körper zumeist — selbst
wenn er das Hauptthema zu sein scheint — als eine mehr oder weniger
starke Suggestion, selten als ein Ziel angesehen.

Die modernen Synthesen versuchen die Individualität des menschlichen
Körpers zu unterdrücken, um ihn als konstruktives Element des Bildes wie
irgendeinen anderen Gegenstand zu benutzen.

Trotz aller dieser Anstrengungen bleibt der Körper das wesentliche Element,
das reichste im Spiel der Linien und Farben, also das reichste in den bild-
nerischen und gefühlsmäßigen Möglichkeiten.

Unsere Kunst ist zu individualistisch, um einen Kanon zu schaffen.

Die Kunst ist individualistisch trotz der Disziplinen, die jeder sich auferlegen
will, oder vielmehr wegen ihnen, da jeder Künstler sich die seinigen zu
seinem eigenen und exklusiven Gebrauch schafft.

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