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STURM-FAHRT IN DIE NACHT

Es war eines Sonntags Abend. Rudolf Blümner und ich
saßen bei Herwarth Waiden in seinem kleinen Büro.
Wir wollten zusammen bei Kempinski Abendbrot essen.
Nell Waiden war für eine Woche in Schweden.
»Wir wollen etwas unternehmen«, sagte Herwarth Wai-
den, und sein Kneifer blitzte.
»Jawohl«, sagte Rudolf Blümner, »wenn die Katze aus
dem Haus ist, tanzen die Mäuse.«
»Jawohl!« rief Herwarth Waiden. »Heute nacht will
ich das Tanzbein schwingen!«
Ich erschrak, und Rudolf Blümner zog die Stirne kraus.
Rudolf Blümner pflegte nur nach Mitternacht zu tanzen
und dann mit den Gebärden eines Marabu, der am Ufer
des heiligen Nils auf Fische lauert.
Und ich war gänzlich ungeeignet. Von frühen Jahren an
hielt ich jeden Gesellschaftstanz für eine öffentlich zele-
brierte unsittliche Handlung. Nach meiner Meinung
dürfen nur Engel oder reine Kinder tanzen, und es ist
mir noch heute sehr ernst mit dieser Meinung, die ge-
wiß gänzlich unmöglich ist für die Welt.
»Was sollen wir erst zu Kempinski gehen und essen«,
sagte Herwarth Waiden. »Wir haben ja hier Kaffee und
Zigaretten. Die Gelder werden wir schon nachts brau-
chen können.«
Er stellte den elektrischen Kocher an, und bald duftete
der Kaffee. Rudolf Blümner rauchte nachdenklich seine
 
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