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DAS TOTENHAUS

In meinem Bauhausatelier stand das Totenhaus. Es stand
schon in Hamburg in meinem Arbeitszimmer neben
meinem Arbeitstisch.
Schon früh kreisten viele Gedanken meines Lebens um
die Toten. Niemals, auch nicht als Lind, habe ich Scheu
vor einem toten Menschen gehabt. Ich erinnere mich
des Entsetzens der Angehörigen eines toten Nachbarn,
eines Hauptmann v. W., den wir Linder Onkel nann-
ten und an dessen Sarg wir geführt wurden, des Ent-
setzens, als ich ohne Scheu die Hand des Toten von
der Bettdecke hob, ihm die Hand drückte und »Adieu«
sagte.
Schon früh beschäftigte mich das unbegreifliche Ver-
hältnis zwischen Körper und Seele. Ich hatte begriffen,
daß der Mensch im Tode den Körper ablegt, daß aber
dennoch der Körper auch weiterhin zum Menschen ge-
hört, wußte dies schon sehr lange, ehe ich davon hörte,
daß es eine »Auferstehung des Fleisches« gäbe. An man-
chen unverschlossenen Särgen habe ich gestanden, an
vielen Beerdigungen teilgenommen, und fast stets habe
ich es als entwürdigend empfunden, wie die Menschen
mit dem Leichnam umgingen. Meist hatten sie, auch bei
echter Trauer, gerade vor dem Leichnam Angst, selten
Ehrfurcht und kaum Zuneigung. Schon den Sarg emp-
fand ich in seiner Gestalt und in seiner ganzen Auf-
machung, sei sie billig oder teuer, als lieblos. Ich stand in
 
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