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IN DER ERNTEZEIT

Die Ernte der STURM-Zeit und Bauhaus-Zeit — nach
einem Menschenalter die Ernte.
Eine Liste der toten Freunde. Eine Liste weltberühmter
Werke. Ein Ausstreuen der Saat über die ganze Welt.
Ringsum wucherndes Unkraut. Oft blüht auch das Un-
kraut schön, sehr schön $ aber es bringt nicht ein einziges
Weizenkorn. Wir haben das Feld bestellt und einen Gar-
ten angepflanzt. Beides liegt vor uns, Kornfeld wie Gar-
ten fast entleert im Herbst. Andere als die Säer der Saat
bringen die Ernte ein. Kinder haben alle Blumen des
Gartens geplündert. Wir sehen das Stoppelfeld und das
dürre Laub. Wir sehen den herrlichen Regen, der herab-
rauscht über uns, und sehen die herrliche Sonne, die vom
Herbsthimmel strahlt.
Schon als Knabe habe ich den Herbst über alle Jahres-
zeiten geliebt. Aus den Knabenjahren klingt mir bis
heute das Nietzsche-Wort: »Dies ist der Herbst: der —
bricht dir noch das Herz!«
Nun ist es Herbst. Von Zeit zu Zeit begegnen sich die
Letzten der ersten Generation aus der Wende zur neuen
Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie begegnen sich alt und
froh, niemals einsam, und schauen sich dankbar an,
Mensch zu Mensch.
So begegnete ich plötzlich, wenige Jahre nach dem zwei-
ten Weltkrieg, Freund Georg Muche in der Benediktiner-
abtei Maria Laach. Mein Haar war weiß geworden, und
 
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