Abscheu der Christen gegen heidnische Begräbnissplätze.
65
dass die Christen der ersten Jahrhunderte eine heidnische
Begräbnissstätte, die, selbst wenn sie beraubt und lange
Zeit unbenutzt gewesen wäre, doch noch zahlreiche Reli-
quien der in ihr begrabenen Todten bergen musste, sich
angeeignet hätten. Diese unterirdischen Räume, welche —
im Sinne eines afrikanischen Kirchenlehrers zu reden ^ —
der Greuel und Götzendienst heidnischer Todtenbestattung
und Todtenopferung befleckt und verabscheuungswürdig
gemacht hatte, waren ihnen eine Sphäre, welche die
Ruhe ihrer Todten, die Reinheit ihrer Gebete nicht um-
hüllen durfte. So will der mit Tertullian streitende Christ
zwar im Zusammenleben mit den Heiden die Freiheiten,
welche Gewissen und Evangelium ihm nach seiner Auf-
fassung gestatten, ungeschmälert ausüben, aber das Zusam-
menruhen mit ihnen im Tode erkennt auch er als uner-
,laubt an 2). Noch entschiedener, und gewiss als Ausdruck
des allgemeinen christlichen Bewusstseins klingen die Worte :
„wir verabscheuen nicht weniger die Tempel als die Grab-
mäler" 3), welchen in treffender Weise der Vorwurf des
Heidenthums sich anschliesst: „vor Tempeln haben sie
(die Christen) einen Abscheu wie vor Leichenbrandhäu-
sern"4). Es ist sehr bezeichnend für diese Anschauung,
dass der spanische Bischof Martialis seine Trennung von
der Kirche dadurch äusserlich manifestirt, dass er seine
Kinder mitten unter heidnischen Todten beisetzen lässt 5).
Nicht minder als die religiösen Bedenken der Christen
steht die weitgehende Pietät, welche das Heidenthum seinen
Todten entgegentrug, den Hypothesen Scherillo's und Beller-
mann's entgegen. War die Nekropole nun auch öde und
, Tertullian de spect. cc. 12, 13.
2) Tert, de idol. c. 14: „Es ist erlaubt, mit den^Heiden zu leben;
mit ihnen zu sterben und als Todte zu verweilen nicht." Die Worte
sind nicht als Urtheil Tertullian's, sondern als Zugeständniss des Geg-
ners zu fassen.
3) Tert, de spect. c. 13.
4) Min. Fel. Oct. c. 8.
5) Cyprian, Epist. LXVIII.
Schultze, Katakomben. 5'
65
dass die Christen der ersten Jahrhunderte eine heidnische
Begräbnissstätte, die, selbst wenn sie beraubt und lange
Zeit unbenutzt gewesen wäre, doch noch zahlreiche Reli-
quien der in ihr begrabenen Todten bergen musste, sich
angeeignet hätten. Diese unterirdischen Räume, welche —
im Sinne eines afrikanischen Kirchenlehrers zu reden ^ —
der Greuel und Götzendienst heidnischer Todtenbestattung
und Todtenopferung befleckt und verabscheuungswürdig
gemacht hatte, waren ihnen eine Sphäre, welche die
Ruhe ihrer Todten, die Reinheit ihrer Gebete nicht um-
hüllen durfte. So will der mit Tertullian streitende Christ
zwar im Zusammenleben mit den Heiden die Freiheiten,
welche Gewissen und Evangelium ihm nach seiner Auf-
fassung gestatten, ungeschmälert ausüben, aber das Zusam-
menruhen mit ihnen im Tode erkennt auch er als uner-
,laubt an 2). Noch entschiedener, und gewiss als Ausdruck
des allgemeinen christlichen Bewusstseins klingen die Worte :
„wir verabscheuen nicht weniger die Tempel als die Grab-
mäler" 3), welchen in treffender Weise der Vorwurf des
Heidenthums sich anschliesst: „vor Tempeln haben sie
(die Christen) einen Abscheu wie vor Leichenbrandhäu-
sern"4). Es ist sehr bezeichnend für diese Anschauung,
dass der spanische Bischof Martialis seine Trennung von
der Kirche dadurch äusserlich manifestirt, dass er seine
Kinder mitten unter heidnischen Todten beisetzen lässt 5).
Nicht minder als die religiösen Bedenken der Christen
steht die weitgehende Pietät, welche das Heidenthum seinen
Todten entgegentrug, den Hypothesen Scherillo's und Beller-
mann's entgegen. War die Nekropole nun auch öde und
, Tertullian de spect. cc. 12, 13.
2) Tert, de idol. c. 14: „Es ist erlaubt, mit den^Heiden zu leben;
mit ihnen zu sterben und als Todte zu verweilen nicht." Die Worte
sind nicht als Urtheil Tertullian's, sondern als Zugeständniss des Geg-
ners zu fassen.
3) Tert, de spect. c. 13.
4) Min. Fel. Oct. c. 8.
5) Cyprian, Epist. LXVIII.
Schultze, Katakomben. 5'