Verkehrsleben zwischen Heiden und Christen.
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weit! — eröffneten dem Evangelium zuerst die Salons der
römischen Gesellschaft. Es ist daher bezeichnend, dass
die ersten vornehmen Bekenner in Rom Frauen sind. Das
Eindringen des heidnischen Elementes aber leitete inner-
halb der christlichen Gemeinde einen grossen Umschwung
ein: die Verhältnisse der Verwandtschaft, die Verpflich-
tungen des Amtes, die mannigfachen Beziehungen des
commerziellen und des industriellen Lebens, welche einen
grossen Theil der christlichen Gemeinde an ihre früheren
Glaubensgenossen knüpfte, führten dieselbe aus ihrer zu-
rückhaltenden Abgeschlossenheit zu einem regen, wechsel-
seitigen Verkehrsleben mit der heidnischen Bevölkerung.
„Wir sind keine Brahmanen," ruft ein christlicher Apo-
loget dem anklagenden Heidenthume zu; „auch keine in-
dischen Gymnosophisten, die in den Wäldern hausen und
das Leben negiren. Wir leben in dieser Welt so, dass
wir vom Forum, vom Markte, von Bädern, Buden, Werk-
stätten, Wirthshäusern, Jahrmärkten — von keiner Art
des Verkehrs uns fernhalten. Wir treiben mit euch Schiff-
fahrt und ziehen mit euch zu Felde, wir üben Gewerbe
und Handel wie ihr aus" 9. Ein äusserst interessantes Bei-
spiel dieser socialen Beziehungen zwischen Christen und
Heiden bieten die Verhältnisse der carthagischen Gemeinde
gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts, die uns durch
Tertullian ziemlich genau bekannt geworden sind. In
Carthago verfertigten christliche Handwerker heidnische
Götzenbilder, vergoldeten Merkur- und Serapisstatuen und
arbeiteten am Bau von Jupitertempeln 2). Ja, was fast
unglaublich erscheint, unter den Verfertigern von Idolen
befanden sich auch Glieder des geistlichen Standes 3). Christ-
liche Kaufleute handelten mit Weihrauch, der zum Opfer
bestimmt war, Christen feierten mit den Heiden die Satur-
nalien und die Kalenden des Januarius, illuminirten an
b Tert., Apol. c. 42.
2) Tert., de idol. cc. 2 ff.; 5; 8.
3) Ebend. c. 7.
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weit! — eröffneten dem Evangelium zuerst die Salons der
römischen Gesellschaft. Es ist daher bezeichnend, dass
die ersten vornehmen Bekenner in Rom Frauen sind. Das
Eindringen des heidnischen Elementes aber leitete inner-
halb der christlichen Gemeinde einen grossen Umschwung
ein: die Verhältnisse der Verwandtschaft, die Verpflich-
tungen des Amtes, die mannigfachen Beziehungen des
commerziellen und des industriellen Lebens, welche einen
grossen Theil der christlichen Gemeinde an ihre früheren
Glaubensgenossen knüpfte, führten dieselbe aus ihrer zu-
rückhaltenden Abgeschlossenheit zu einem regen, wechsel-
seitigen Verkehrsleben mit der heidnischen Bevölkerung.
„Wir sind keine Brahmanen," ruft ein christlicher Apo-
loget dem anklagenden Heidenthume zu; „auch keine in-
dischen Gymnosophisten, die in den Wäldern hausen und
das Leben negiren. Wir leben in dieser Welt so, dass
wir vom Forum, vom Markte, von Bädern, Buden, Werk-
stätten, Wirthshäusern, Jahrmärkten — von keiner Art
des Verkehrs uns fernhalten. Wir treiben mit euch Schiff-
fahrt und ziehen mit euch zu Felde, wir üben Gewerbe
und Handel wie ihr aus" 9. Ein äusserst interessantes Bei-
spiel dieser socialen Beziehungen zwischen Christen und
Heiden bieten die Verhältnisse der carthagischen Gemeinde
gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts, die uns durch
Tertullian ziemlich genau bekannt geworden sind. In
Carthago verfertigten christliche Handwerker heidnische
Götzenbilder, vergoldeten Merkur- und Serapisstatuen und
arbeiteten am Bau von Jupitertempeln 2). Ja, was fast
unglaublich erscheint, unter den Verfertigern von Idolen
befanden sich auch Glieder des geistlichen Standes 3). Christ-
liche Kaufleute handelten mit Weihrauch, der zum Opfer
bestimmt war, Christen feierten mit den Heiden die Satur-
nalien und die Kalenden des Januarius, illuminirten an
b Tert., Apol. c. 42.
2) Tert., de idol. cc. 2 ff.; 5; 8.
3) Ebend. c. 7.