Die neapolitanische Gemeinde.
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sie eine conditio sine qua non. So darf mit Sicherheit
vorausgesetzt werden, dass die erste Kunstthätigkeit der
carthagischen Gemeinde über eine einfache mechanische
Nachbildung nicht hinausgekommen ist, wie es zweifellos
ist, dass da, wo diese einfache Herübernahme eines Vor-
handenen stattfand, d. h. innerhalb der Gemeinde von
Neapel, ein ebensolches synkretistisches Verkehrsleben die
natürliche und nothwendige Voraussetzung einer so ge-
stalteten Kunstentwicklung bildete.
Die grossartige Anlage, die reiche Ausstattung der
ältesten Theile der Katakomben bezeugen dieser Ge-
meinde nicht nur ein hohes künstlerisches Interesse,
sondern auch eine freie Verfügung über reichliche Mittel,
um diesem Interesse Genüge zu leisten und ihren Todten
eine würdige Ruhestätte gründen zu können; das Christen-
thum scheint somit in Neapel in den höheren, vermögen-
den Ständen Eingang gefunden zu haben, was für die
Herstellung und die Erhaltung eines guten Einvernehmens
zwischen der christlichen und der heidnischen Bevöl-
kerung von grossem Einflüsse sein musste. Die von den
Alten gerühmte Gutmüthigkeit der Neapolitaner 9 trat
auf beiden Seiten zu diesen günstigen Verhältnissen
fördernd hinzu, ich sage, auf beiden Seiten, denn
wie zahlreiche entgegengesetzte Beispiele der ersten Jahr-
hunderte genugsam zeigen, beruhte die freundliche Stel-
lung des Heidenthums zu den christlichen Gemeinden
nicht zum Geringsten auf einem maassvollen Benehmen
der letzteren selbst in Ansehung der entgegengesetzten
Glaubensüberzeugung 2), Wie der Bischof Severus von
Neapel, ein Zeitgenosse des Ambrosius, aus einer dogma-
tisch zerrissenen und von dem Geiste christlicher Liebe
verlassenen Zeit durch evangelische Milde erhaben hervor-
Ü Vrgl. z. B. Statius, Silv. lib. III, carm. V, v. 85; Strabo V;
Cicero, pro Sulla c. V, 17.
2) Bezeichnend ist in dieser Beziehung die Beurtheilung, welche
das Betragen eines scrupulösen christlichen Legionssoldaten in der
carthagischen Gemeinde findet. Tert, de corona mil. c 1.
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sie eine conditio sine qua non. So darf mit Sicherheit
vorausgesetzt werden, dass die erste Kunstthätigkeit der
carthagischen Gemeinde über eine einfache mechanische
Nachbildung nicht hinausgekommen ist, wie es zweifellos
ist, dass da, wo diese einfache Herübernahme eines Vor-
handenen stattfand, d. h. innerhalb der Gemeinde von
Neapel, ein ebensolches synkretistisches Verkehrsleben die
natürliche und nothwendige Voraussetzung einer so ge-
stalteten Kunstentwicklung bildete.
Die grossartige Anlage, die reiche Ausstattung der
ältesten Theile der Katakomben bezeugen dieser Ge-
meinde nicht nur ein hohes künstlerisches Interesse,
sondern auch eine freie Verfügung über reichliche Mittel,
um diesem Interesse Genüge zu leisten und ihren Todten
eine würdige Ruhestätte gründen zu können; das Christen-
thum scheint somit in Neapel in den höheren, vermögen-
den Ständen Eingang gefunden zu haben, was für die
Herstellung und die Erhaltung eines guten Einvernehmens
zwischen der christlichen und der heidnischen Bevöl-
kerung von grossem Einflüsse sein musste. Die von den
Alten gerühmte Gutmüthigkeit der Neapolitaner 9 trat
auf beiden Seiten zu diesen günstigen Verhältnissen
fördernd hinzu, ich sage, auf beiden Seiten, denn
wie zahlreiche entgegengesetzte Beispiele der ersten Jahr-
hunderte genugsam zeigen, beruhte die freundliche Stel-
lung des Heidenthums zu den christlichen Gemeinden
nicht zum Geringsten auf einem maassvollen Benehmen
der letzteren selbst in Ansehung der entgegengesetzten
Glaubensüberzeugung 2), Wie der Bischof Severus von
Neapel, ein Zeitgenosse des Ambrosius, aus einer dogma-
tisch zerrissenen und von dem Geiste christlicher Liebe
verlassenen Zeit durch evangelische Milde erhaben hervor-
Ü Vrgl. z. B. Statius, Silv. lib. III, carm. V, v. 85; Strabo V;
Cicero, pro Sulla c. V, 17.
2) Bezeichnend ist in dieser Beziehung die Beurtheilung, welche
das Betragen eines scrupulösen christlichen Legionssoldaten in der
carthagischen Gemeinde findet. Tert, de corona mil. c 1.