Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Befriedigung des Kunstbedürfnisses.

71

gruppierte. Die christliche Kunst war damit in's Lehen
gerufen; ihre Selbständigkeit war zwar noch Ideal, aber
die Verwirklichung desselben nur eine Frage der Zeit.
Einen anderen Weg, sich eine Kunst zu schaffen,
schlug die neapolitanische Gemeinde ein: hier war offenbar
der Drang nach künstlerischer Gestaltung zu mächtig, als
dass er die Langwierigkeit des erstgenannten Verfahrens
hätte wählen und auf die Zukunft sich vertrösten lassen
sollen. Statt an dem neuen Glaubensleben auf Gewinnung
einer eigenen Kunst hin zu experimentiren, trugen die
Künstler in entschlossener That das Alte unverändert in
das Neue hinein, und die Gemeinde nahm keinen Anstand,
dem ungetauften Kinde eine freundliche Aufnahme zu ge-
währen. Obgleich nun diese erste Kunstregung nichts
mehr als eine mechanische Nachbildung schon vorhandener
Formen war, so wurde sie doch für die nachherige Ent-
wicklung bedeutungsvoll, einmal weil hier zum ersten Male
die Kirche einer Kunst — welcher, war vorerst gleich-
gültig — willig ihr Heiligthum öffnete, dann aber weil da-
mit ein Terrain gewonnen wurde, auf welchem den heid-
nischen Figuren versuchweise auch einmal ein christliches
Sujet angereiht werden konnte, um so mehr, da der Geist
der neuen Religion und das Leben in ihr dazu drängten.
Dieser Versuch ist in dem Deckengemälde der zweiten
Katakombe gemacht, dessen Ausführung nur wenig später
als die Decoration des unteren Vorraums zu setzen ist.
Unter den mannigfaltigen Figuren, die das Octogon
umrahmen, erscheinen zum ersten Male christliche Dar-
stellungen, die aber in dem bunten Wechsel und dem
Reichthume heidnischer Bilder durchaus zurücktreten.
Trotz alledem war damit zur Schöpfung einer eigenen
christlichen Kunst ein entschiedener Schritt gethan. Wie
unbedeutend auch dieser Erfolg war, er musste unaufhalt-
sam weiter drängen, weil er dem Geiste und dem Wunsche
der Gemeinde entsprach: das Resultat war die Ueber-
windung des Heidnischen, das nun der neuen Herrin als
dienende Magd zur Seite trat. Beide Wege führten also
 
Annotationen