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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 26.1908

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Schön, Theodor: Schwäbische Biographien: Herzogin Maria Augusta von Württemberg, [9]
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68

gesterii Abends eine eigene Staffette an
den Bischof geschickt und nicht atlein von
dem am b. November abgeschlosfenen
Vergleich Nachricht gegeben, sondern auch
die Ursachen, wodurch sie dazu bewogen
worden ist, umständlich vorgelegt, näm-
lich, daß, nachdem die Sache 9 Monate
fortgedauert hätte, ohne daß ihr geholfen
worden wäre, die Differentien auch ein
solches Ansehen gewonnen hätten, daß
folche auf dem weitläufigen und kost-
baren Weg eines Prozesfes hätte ver-
fallen müssen, die Herzogin aber selber
zu pousfieren bei allerseits benommenen
Geldkräften nicht vermöge, sie also für
verträglicher erachtet habe, dem Werk
durch einen hier errichteten Vertrag auf
einmal ein Ende zu geben. Sie hoffe
nicht, daß der Bischof ihr deswegen die
bisherige Gnade und Freundschaft ent-
ziehen werde, da sie solche zu erhalten
sich allzeit besonders beeifern würde". Da
Raab sah, daß die Herzogin gar sehr
den weitern Diskurs abzubrechen und
die Audienz zu endigen trachtete, daher
frug er nur noch, ob dieselbe nebst einer
Notifikation des geschlossenen Vertrags
dem Bischof auch eine Abfchrift desselben
zugefertigt hätte, worauf sie autwortete:
„solches fei bis jetzt nicht geschehen. Sie
behalte sich aber vor, den Vergleichs-
aufsatz dem Bischof seinerzeit durch einen
Cavalier zuzusenden". Am 13. November
trug dann noch einmal Raab der Her-
zogin alles, was der Bischof ihm vor-
geschrieben hatte, und was er sonst, um
„der Verblendeten" die Augen zu öffnen
für vorträglich erachtet hatte, mit Nach-
druck vor und stellte ihr vor, daß sie da-
durch das Gedächtnis ihres Gemahls
schwer beleidigte, dessen ebensv vorsichtige
als nützliche letzte Willensverordnung ent-
kräfte, sich wegen ihrer Prinzen übel
besorgter Erziehung im katholischenGlauben
bei Gott und der Welt schwere Ver-
antwortung uud empfindlichen Verlust zu-
ziehe, dem Kaiser in seiuem obersten
Vormundschaftsamt vorgreife und alle
Reichsfürften durch so fchnöde Umstoßung
des herzoglichen Testaments zu nachbe-
denklichem Aufsehen bewege. Auf alle
diese und andere Vorstellungen erwiderte
die Herzogiu, daß sie durch diesen Ver-
gleich das Testament nicht umgestoßen,

fondern nur davvn abstrahiert und es so
lange ausgesetzt habe, bis der Erbprinz
selbst zur Großjährigkeit und Regierung
gelangen würde, da sie es dann feine
Sorge sein lassen wollte, wie weit er das
Testament werde behaupten und in feinem
Lande geltend machen könne.

vö O. Hartheim 13. November 1737
berief der Bischof hierauf seinen Resi-
denten Raab von Stuttgart ab. Am
19. November wurde dann ein Re-
gierungsreglement für die Administrations-
zeit verfaßt und darin dem Veheimerat
unter anderm die Mitvormundschaft über
die fürstlichen Kinder bestätigt und ihm
die Entscheidung geringerer Fälle, jedoch
in Gegenwart eines Bevollmächtigten des
Herzogs-Administrators überlassen. Am
18. Dezember 1737 wurde eine weitere
Vergleichs-Urkunde unterzeichnet, „daß
zu Beförderung des gemeinen Beftens
und, da die Bestellung der vormund-
schaftlichen Bedienten und andere Ver-
anstaltungen keinen weitereu Verzuq leiden
wollen, der am 5. November 1737 er-
richtete Vergleichs-Receß in allen seinen
Artikeln und Punkten von nun an zur
Wirklichkeit gebracht und in Allem voll-
zogen werden solle."

Man hat es schon zu ihren Lebzeiten
der Herzogin-Mutter zum Vorwurf ge-
macht, dieseu Vergleich eingegangen zu
haben. Man warf ihr vor, sie habe
namentlich nicht die Pflicht, die ihr als
Mutter oblag, die Erziehung ihrer Söhne
durch Männer ihres Glaubens durchzu-
setzen erfüllt und dadurch auch die Pflicht
gegen ihre Kirche verletzt. Dem ist aber
gauz entschieden entgegen zu halten, daß
Maria Augusta dieses wohl unter keinen
Umständen bei dem Herzog-Administrator
und dem Geheimerats-Kollegium durch-
gesetzt hätte, zumal da ihr vom kaiser-
lichen Hof nicht die genügende Unter-
stützung zu Teil wurde. Durch die Ver-
fchleppuug des Prozesfes, die ein Macht-
wort des Kaisers sicher hätte verhindern
können, gingen eben einfach Maria
Augusta die Geldmittel zur Weiterführung
des Prozesses aus. Sie tat daher das
Gescheutefte, statt den wenig aussichts-
reichen Prozeß weiter zu führen, einen
Vergleich zu fchließen, der ihr und ihren
Kindern freie Religionsübung gestattete
 
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