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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0030

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xxvi

Vorrede.

jene, auf dem ersten Anblick so abweichenden Formen an die Koptischen anzuknüpfen.
Hieran schliesst sich endlich noch folgende Betrachtung. Den meisten orientalischen Spra-
chen liegt eine ganz eigenthümliche innere Anschauungs-Weise zum Grunde, welche sich
von der im Laufe der Zeit ausgebildeten occideutalischen Auffassungs- Weise beträchtlich
entfernt. Als den unterscheidenden Charakter dieses Orientalism kann man die Vorliebe
für das Leibhafte, Concrete im Gegensatze gegen die vorherrschend abstracte Denkweise
des Occidentalism betrachten. Jene eigenthümliche Anschauung bedingte natürlich für die
äussere Darstellung derselben durch die Sprache eine eben so eigenthümliche Wahl von
Wörtern und Wort-Verbindungen. Allem Vermuthen nach besitzt auch die Koptische
Sprache diese Eigentümlichkeit des Orientalism. Neben dieser allgemeinen Eigeiithüm-
lichkeit besitzen aber die orientalischen Sprachen und Sprach-Stämme noch ganz besondere
Eigenthümlichkeilen. Nun ist es wahrscheinlich, dass auch das Koptische eine solch be-
sondere Färbung an sich trage. Ja, ich nehme keinen Anstand zu behaupten, dass das
Kopiische eine solche wirklich besitzt, und dass dieselbe hauptsächlich darin besteht, dass das
Koptische den grössten Theil seiner Wort- und Satz-Gliederung, welche andere Sprachen
durch Casus, Präpositionen, Conjunctionen und Partikeln bewirken, durch die mannichfal-
tigste Anwendung von Pronominal-Stämmen zu Stande brachte. Mit dieser allgemeinen
und besondern Eigeiithümlichkeit des Koptischen vollkommen vertraut zu sein, ist für die
Beurtheilung der Entzifferungen altägyptischer Texte unerlässlich. Dass nämlich die alt-
ägyptischen Texte diesen eigenthümlichen Typos eben so rein, wo nicht noch viel reiner,
als die der Befreundung mit fremder Denk- und Ausdrucks-Weise näher gestellte Kop-
tische Sprache an sich tragen mögen, darüber wird wohl der Sprachforscher keinen Zwei-
fel hegen. Sollte es sich nun treffen, dass nach der Entzifferung dieses oder jenes Ge-
lehrten eine Auffassungs- und Ausdrucks-Weise zu Tage gefördert würde, welche jener
allgemeinen und besondern Eigeiithümlichkeit entkleidet wäre, so dürfte der gründliche
Kenner des Koptischen sich der Skepsis kaum erwehren können. Er würde sonder Zwei-
fel jenem Entzifferer das zurufen, Avas mau dem ausgezeichneten Paläograph Ulrich Kopp
bei seinen Versuchen, Semitische Inschriften zu entziffern bemerkt hat: Mögen auch die
von dir erklärten Züge in der That die Buchstaben sein, welche du in ihnen zu finden glaubst;
die Wort-Verbindungen, zu welchen du sie zusammenfügst, sind es nicht, weil ein Semite
so nicht gedacht und gesprochen hat und zu Folge seines Sprach - Geistes nicht sprechen
konnte. — Eine lobenswrerthe Eigenschaft der Koptischen Sprache bestand darin, dass sie
die phonetisch stärkeren und schwächeren Formen einer Grund - Gestaltung zu gewissen
stärkeren und schwächereu Begriffs -Schattirungen verwendete. Champolliou's Uebersetz-
ungen der Hieroglyphen-Schrift haben diesen Unterschied der stärkeren und schwächeren
Formen häufigst nicht berücksichtigt. So giebt er, um das Gesagte nur durch ein Beispiel
 
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