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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0102

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48

Einleitung.

über die Geschichte führen würde. So weit die durch die Kritik bewährte Geschichte Aegyptens,
so wie seine Monumente uns Aegypten als einen für sich bestehenden Staat aufzeigen, sehen wir
in ihm keinen allein herrschenden Jehovah mehr, wohl aber zugleich mit anderen Göttern jenen
Knepli, der sie alle aus sich gebar und sie umschliessend, über ihnen waltet. Ob er einst objectiv
für sicli allein gestanden, ist historisch nicht mehr auszumitteln. Sollte aber eine Ansiedelung der
ältesten Aegypter vom Aethiopischen Meroe herab wahrscheinlich zu machen sein, so ist allerdings
merkwürdig genug, dass er dort viele Jahrhunderte lang nur Einen Gott noch neben sich hatte,
dass dieselbe Götterzweiheit auch in dem östlichen Arabien genannt wird und sich ziemlich eng an
zwei Hauptgottheiten des alten Indiens anschloss. Jablonski jedoch verstiess unstreitig gegen die
Kritik erstlich dadurch, dass er lediglich auf die biblische Theologie gestützt, den Kneph durch
Jehovah definirte, zweitens, dass er glaubte, es habe sich seit dem vierten Jahrhunderte nach dem
Auszuge der Israeliten aus Aegypten nur noch eine dunkle Spur dieses Kneph in der Aegyptischen
Theologie erhalten. Das Gegentheil hiervon hätte er schon aus der oben angeführten Stelle
Blutarch's abnehmen können, nach welcher die Thebäer damals noch so eifrig die Ehre ihres Kneph
vertheidigten. Ja der iteog vo?/rog, der voug des Jamblichos, welchen Jablonski nicht für den Amun,
sondern für eine Ausgeburt aus Jamblichos Gehirn ansieht, hätte ihm gerade beweisen müssen, dass
sich bis auf diese Zeit herab die Idee eines reingeistigen Gottes noch recht wohl unter den Aegyp-
tern erhalten hatte. Abgesehen von diesen Missgriffen, hätte man nun erwarten sollen, dass
Jablonski nach dieser seiner klar ausgesprochenen Grundansicht an die Spitze der Aegyptischen
Theologie jenen Geist, jenen Urgrund aller Dinge gestellt haben werde. Allein man blicke in sein
Pantheon. Hier steht als erste aller Aegyptischen Gottheiten: Athor, das ist nach ihm die Orphi-
sche Mutter Nacht, die sich aus dem Chaos erhebende Natur, Aphrodite, also ein völlig inateriales
Prineip. Auf diese folgt in dem Pantheon Phtha, der höchste aller Aegyptischen Götter1), eins
mit Kneph3), der feurig-ätherische Weltgeist3). Er ist dasselbe, was Neith, deren Beschreibung
unmittelbar auf die seine folgt, weiblich ist +). An diese Wesen endlich schliesst sich Kneph.
Hier aber fragt man, warum steht denn Kneph nicht voran? Hatte doch Jablonski unter Phtha
uns die Mythe der Aegypter mitgetheilt, nach welcher Kneph, des Universums Schöpfer, aus sei-
nem Munde ein Ei hervorgehen Hess, aus welchem Ei ein anderer Gott und zwar Phtha entsprun-
gen sei. Das Ei aber sei die Welt gewesen. Ist denn nun hier nicht Kneph das Frühere und
Phtha das Spätere? Wem aber fällt nicht der innere Widerspruch auf in der Behauptung von der
Einheit des Kneph und Phtha? Ist denn etwa die feurige Wcltscele des Heraklit und Demokrit
der Nous des Jamblichos, die ätherische Weltseele der Stoa der Jehovah der Hebräer? Es ist
diess ein eben so ungehöriges Begriffsunterschieben, wenn Jablonski den Kneph als einen Jehovah
abspiegelt, als wenn Diodor, Strabo, Celsus den Hebräischen Jehovah oben für die Weltseele der
Alten ausgeben. Diese aber sind consequenter als Jablonski, denn sie lassen nicht zugleich diese
Weltseele eines sein mit dem Platonischen, von der Weltseele deutlich genug geschiedenen Gotte.
Aber eben hierin zeigt sich das der wahren Wissenschaft so abholde Schwanken der Begriffe, die-
ses Herüberschweifen aus dem Idealism in den 3Iatcrialism, aus dem Muterialism in den ldealism.

1) Jablonski Vanth. 1. I. c. II. §. 14.

2) Jablonski Vanth. 1. 1. c. II. §. 8-

3) Jaw.onski Panth, 1. I. c. II. §. 12.

4) Jablonski Vanth. l. i. c. Iii. §. 6. sqq.
 
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