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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0103

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Einleitung.

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dieses Heraufriicken des Idealism in die ältere Zeit ohne historische Beweise, dieses Abläugnen
desselben für eine spätere Zeit, wo doch die Beweise dafür vorhanden sind. — Doch wir glauben
hiermit zur Genüge über ein Verfahren gesprochen zu haben, welches den Standpunkt seiner Beob-
achtungen gleichsam bei einem so beschränkten Horizonte nahm, dass notwendigerweise ein Theil
des Gesammtbildes nicht zur Anschauung kommen konnte. Wir gehen jetzt zur Bezeichnung einer
andern Einseitigkeit über, welche man sich leider nur zu häufig in der Darstellung der Aegyptischen
Religionslehre zu Schulden kommen liess, einer Einseitigkeit, welche anscheinend das Gegentheil
von dem ist, als wofür wir sie ausgaben, die aber durch ihre, am unrechten Orte angebrachte, Fülle
nur die Leere und den Mangel von dem, Avas sie eigentlich hätte geben sollen, zu verdecken sucht.
Wir meinen das einseitige Abzeichnen Aegyplischcr Gottheiten nach dem Bilde eines gleichbenann~
len Griechischen oder Römischen Gottes.

Die Griechen und Börner gingen bekanntlich bei ihren Beschreibungen mythologischer Wesen
Aegyptens davon aus, dass sie, um sich den ihrigen verständlich zu machen, unter den einheimi-
schen Göttern denjenigen aussuchten, welchen sie dem Aegyptischen am ähnlichsten zu sein glaub-
ten, den Aegyptischen nun meistens unter dem ihnen geläufigen Namen dieses vaterländischen Got-
tes aufführten und an ihn alles das anschlössen, was sie von dem Aegyptischen Gotte zu wissen
vermeinten. Oft drückten sie auch verschiedene Begriffe eines und desselben Aegyptischen Gottes
durch die Benennung mehrerer vaterländischen Götter aus, welche in der heimischen Mythologie die
verschiedenen Aemter der Aegyptischen Gottheit unter sich vertheilt hatten. Mit welcher äussersten
Behutsamkeit in diesen Zusammenstellungen Aegyptischer und Griechisch-liöinischer Götter verfahren
werden müsse, wird der Verfasser da bemerklich machen, wo über den Werth der Griechischen
und Römischen Quellen gehandelt werden soll. An und für sich jedoch kann ein vergleichendes
Gegeneinanderhalten, sobald die Forderungen der Kritik zur Genüge beobachtet werden, gewiss nur
lehrreich sein. Auch ist es hierbei nicht zu verargen, dass man, um sich einen leichtern Zugang
zur Erkenntniss der Aegyptischen Gottheit zu eröffnen, von diesem Aehnlichkeitsverhältnisse mit
gehöriger Berücksichtigung von Zeit, Ort und Eigentümlichkeit des fremden Berichterstatters bei
der Untersuchung ausgeht. Wenn man aber das Wesen einer Aegyptischen Gottheit damit darge-
stellt zu haben glaubt, dass man von ihr fast nichts als den Aegyptischen Namen anführt und ledig-
lich eine Anzahl Bestimmungen, welche von dem ähnlich sein sollenden Griechischen und Römischen
Gotte galten, an einander rückt und für Aegyptische ausgiebt, so setzt man sich und den Belehrung
suchenden Leser notwendig der Täuschung aus, statt einer Aegyptischen eine Griechische und
Römische Gottheit zu erkennen. Ja man wird in Wahrheit nicht einmal diese kennen lernen, wenn
man, wie es in Aegyptischen Mythologien so häufig geschehen ist, den Begriff eines Griechischen
Gottes dadurch richtig aufgefasst zu haben wähnt, dass man über ihn willkührlich einige Stehen
dem Homer und Philostratos, dem Herodot und Proklos, dem Aeschylos und Arnobius entnimmt
und zu einer bunten Reihe zusammenfügt, voraussetzend (\vas man aber einzugestehen sich hüten
wird), es habe die Griechische und Römische Mythologie von Hesiod bis Nonnos, von Ennius bis
Augustin eine und dieselbe Gestalt behauptet. Ein aus so verschiedenartigen Stücken gefertigtes
Kleid, was gleichsam den Schnitt der verschiedensten Jahrhunderte zugleich an sich trägt, kann
schwerlich auf den Körper irgend eines Griechischen und Römischen Gottes passen, geschweige
denn, dass es die dürftigen Formen eines Aegyptischen Gottes der Wahrheit gemäss hindurch
schimmern liesse. Und welchem Zeitalter Aegyptischer Götterlehre soll es denn eigentlich angehö-

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