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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0111

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Einleitung. 57

überhaupt ist in den alteren Zendbüchern Zervan Akerene, mag man es nun, wie gewöhnlich, durch
die grenzenlose Zeit, oder nach dem Sanskrit !} durch Sarvam Akaranam das ungeschaffene All
übersetzen, so dass man es in der ersten Hinsicht als grenzenlos ewigen, in der zweiten als un-
geschaffenen, das AH in sich enthaltenden Gott aufzufassen hätte. Nur erst in den späteren Com-
mentaren der Zendbücher 2) wird Zervane Akerene aus leicht erklärlichen Gründen über Ormuzd
objecüvisch emporgehoben.

1) vo\ Bonr.en das alte Indien u. s. w. I. p. 145.

2) Jedem aufmerksamen Leser der Zendbücher muss es aufgefallen sein, dass Zervane Akerene, in welchem die
Neueren fast durchgängig die höchste Gottheit des Parsism gesucht haben, in diesen Religiousschriften auf das seltenste, so
viel mir bekannt ist, nur in fünf Hauptstellen vorkommt, dass es jedoch in den vier ersteren, aus den älteren Schriften
entlehnten Stellen ohne Schwierigkeit als die oben gegebene Bestimmung des Ormu/.d anfgefasst werden kann, während an
allen anderen Orten, das heisst in Wahrheit unzähligeroal Ormu/.d in jeder Beziehung den uube^weifelten Rang des höch-
sten und, wenn man sein Verhältniss zu allen anderen, geschaffenen Wesen betrachtet, des einzigen Gottes einnimmt.
Da der Raum uns hier verbietet, alle fünf Stellen durchzugehen, so nehmen wir nur die zwei schwierigsten unter ihnen
auf, von denen die erstere also lautet iVendidad Faryard XIX): „Ahriman, Vater des bösen Gesetzes! das in Herrlich-
keit verschlungene Wesen, die Zeit ohne Grenzen, hat dich geschaffen, durch seine Grösse sind auch die Amschaspands
worden, die reinen Geschöpfe, heiligen Könige." Dass Ormuzd's eigenthümlichste Bezeichnung die „des iu Herrlichkeit ver-
schlungenen Wesens" ist, dass die Schöpfung der Amschaspands, so wie die aller reinen Creaturen von Ormuzd abgeleitet
ward, darf ich als bekannt voraussetzen. Bedenkt man nun, dass Ormuzd, welcher häufigst Gott überhaupt heisst und es in
jeder Beziehung wahrhaft ist (man lese nur Jescht Sade LXXX.), „Herr der Zeit (s. p. 56. Note No. 13.), der Ewige (Ven-
didad Faryard 3. 7. 9. 10- 11. 14. 17. 18. — Die Amschaspands und Jzeds sind als seine Geschöpfe nur unsterblich) und
der iu Ewigkeit Verschlungene" (Bundehesch 1J genannt wird, so kann es nicht auffallen, wenn er mit kühnerer Wen-
dung hier als Zeit ohne Grenzen, das ist als Gott der grenzenlosen Zeit auftritt, besonders da in keiner Stelle der älteren
Zendbücher irgend von einer Schöpfung des Ormuzd die Rede ist. Eben so wenig darf befremden, dass Ahriman ein Ge-
schöpf des Ormuzd genannt wird, denn Ahriman war Anfangs gut (Izeschne IIa 43.J), ward erst in der Folge Darwend
und soll ja auch einst dem Guten wieder gewonnen werden. Allein wäre dem selbst nicht so, so bliebe die Frage, wie aus
dem absolut Guten das Böse entsprang, dieselbe, wenn mau auch über Ormuzd hinaus Zervane Akerene als einen höhern
Gott ansetzte, aus welchem Ormuzd (das gute) und Ahrihian (das böse Princip) hervorgegangen sei.

Als den schlagendsten Beweis, gleichsam als den locus classicus für die Selbständigkeit von Zervane Akerene und
die untergeordnete Stelluug von Ormuzd hat man die letzte jener fünf Stellen augesehen. Sie lautet (Bundeliesch 1.) fol-
gendermassen: „Zend lehrt uns, dass im Urbeginu Ormuzd und Ahriman das Wesen mügetheilt sei, wie darauf die Welt
ihrem Ursprung nach geworden. Denn, so steht deutlich im Gesetz der Mahestans, dass Ormuzd, erhaben über alles, mit
höchster Weisheit und Reinigkeit im Lichtkreis der Welt lebte. Dieser Lichtlhron, Ornm/.ds Wohnung, ist, was man erstes
Licht nennt (vergl. Bundehesch 2. „Ormuzd liess Licht werden") und diese allübertreffende Weisheit, diese Reinheit, Or-
muzd's Geschöpf, ist das Gesetz. Beide, Ormuzd und Ahriman, sind im Lauf ihrer Existenz allein das Volk der unbegrenzten
Zeit, nämlich der herrliche Ormuzd mit dem Geselz. Ormuzd war also in der Zeit, ist und wird sein in Ewigkeit. Ahii-
man auch durch die Zeit da, wohnte mit seinem Gesetz in den Finsternissen. Er hat nur geschlagen und ist von jeher
böse gewesen, wird aber eiust nicht mehr böse sein und schlagen. Seine Urwohnung war erste Finsternis*; er, der Böse,
war allein iu ihrer Mitte. Diese beiden Wesen in Unendlichkeit des Guten und Bösen verschlungen, wurden sichtbar durch
Vermischung" „, s. Wl

Da wir ohne Einsicht in das Original nicht über die Richtigkeit der Uebersctzung urtheilen können, um zu bestim-
men, ob vielleicht „Volk der unbegrenzten Zeit" nichls weiter heisse, als Genossen, Theilnehmer der unbegrenzten Zeit,
60 dass Ormuzd und Ahriman als die iiranfänglicli neben einander stehenden Principe des Guten und Bösen zu betrachten
seien, so wollen wir die Stelle in der gewöhnlichen Auffassung annehmen. Folgt aber hieraus, dass dieses die Lehre der
altern Zendreligion gewesen sei? Gewiss nicht. Der Bundehesch kündigt sich selbst als einen Commeular älterer Zend-
bücher au. Die uns vorliegenden älteren Zendbücher sind gleich unseren alt - und neutestamentliclien Schriften und dem
Koran ohne allen Hang zu metaphysischem Dogmatismen. Allein damit war einer spätem scholastischeu Zeit nicht sehr
gedient. Diese spätere Geistesrichtung fand in dem abstracten Begriffe von Zervane Akerene eine treffliche Nahrung, so
Wie Gelegenheit, den in der Folge dem Parsism so oft vorgeworfenen Dualisin in der über ihn hinausliegenden Einheit des
Zervane Akerene aufgehen zu lassen. Wie wir aber nicht befugt sind, die Subfililäten der späteren Rabbiner, der Kirchen-
väter und der Verfasser der Sünna auf die Quellen ihrer Religionssysteme überzutragen, eben so wenig ist die Dogmalik
des spätem Parsism als Ausdruck der ältesten Zendbücher anzusehen. Iu dieser spätem Dogniatik (und vielleicht sieht man
Im Bundehesch den ersten Schritt dazu) erscheint allerdings Zervane Akerene über Ormuzd emporgehoben. Nur für diese
spätere Zeit zeugen die Aussprüche jüngerer Griechen, z. B. eines Theodor von Mopsueste, (s. Photius ed. Bekkeii I. p. f>3.),
obschou diese Zeit verhältnissniässig weit genug hiuaufgerückt würde, wenn wir mit Bestimmtheit wüssten, dass der Eudem

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