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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0131

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Einleitung. 77

Aegypter gehörten zn denjenigen Völkern, welchen man als den Trägern und Leitern der allge-
meinen menschlichen Geistesentwickelung den Namen der Culturvülker geben könnte. Das geistige
Leben keines dieser Völker befand sich, vornehmlich so lange es noch auf jenen Namen Anspruch
machte, in einem Zustande völliger Erstarrung, sondern bewegte sich bis zu einer gewissen Höhe
aufwärts, von welcher es dann allmählig wieder herab stieg. Beurtheilt man daher Aegypten nach
der Culturgeschichte dieser Völker, so müssen wir es sehr unwahrscheinlich finden, dass sein
Geist in den Jahrhunderten seiner blühenden Selbständigkeit gleichsam auf dem Gefrierpunkte ge-
standen habe. Aber selbst zugegeben, der Zustand der Aegyptischen Religion habe sich während
jener Zeit völlig unverrückt erhalten, so dürfte doch eine solche Annahme nur das Resultat von
Untersuchungen sein, die wir hierüber mit Aufbietung aller uns zu Gebote stehenden Hülfsmittel
angestellt hätten. Ohne solche voraus gegangene Untersuchungen Avürde unsere ganze Religionsbe-
schreibung, die wir aus Herodols Tagen auffassen und auf zehn und noch mehr Jahrhunderte zurück
datiren, nothwendigerweise ganz in der Luft schweben. Von Herodots Anwesenheit in Aegypten
(um 456 vor Chr.) abwärts bis auf die durch kaiserliche Befehle gebotene Tempelzerstörung (391
nach Chr.), welche Zeit wir als die unmassgebliche Dauer der Aegyptischen Religion als Landes-
religion annehmen können *), durchlebte dieselbe noch acht und ein halbes Jahrhundert. Kein Mensch,
der nur den flüchtigsten Blick in die Geschichte dieser Zeit warf, wird läugnen, dass die Aegyp-
tische Religion während dieser Jahrhunderte den mannichfaltigsten Einflüssen ausgesetzt war, denen
allen zu widerstehen, sie theils nicht die Kraft, theils in der letztern Zeit auch nicht einmal die
Lust hatte. In dieser Zeit, namentlich unter der Herrschaft der Griechen und Römer, entspringen
die Hauptquellen für die Aegyptische Religionskenntniss. Jeder besonnene Forscher muss sich doch
sagen, dass diese Documente an sich nur Gültigkeit für ihre respective Zeit haben, wofern sie nicht
ausdrücklich auf ein höheres Alter eingehen und zugleich die Bürgschaft ihrer Glaubwürdigkeit in
sich tragen. Audi nicht mit dem mindesten Rechte trägt man diese Schriften aus dem Zeitalter der
Lagiden und Cäsaren auf die Zeit eines Xerxes, Darias, Amasis und Neko über. Denn es wird
ja nur ein geringer Grad von Scharfsinn erfordert, um uns mit der Gegenbemerkung in den Weg
zu treten, woher man denn wisse, dass die Religion in beiden Perioden sich so gleich blieb, dass
die eine Zeit sich in der andern abspiegeln könne? Das Mass der Unkritik wird aber vollendet,
wenn man sie ohne weiteres als den Inhalt altägyptischer Religion aus den Jahrhunderten vor Psam-

1) Diess gilt von Aegypten. Dabei verstellt es sich von selbst, dass in manchen Theilen Aegyptens, Welche den
Kinflusse der Bischöfe und kaiserlichen Beamten weniger zugänglich waren, sich der Aegyptische Cult noch länger, aber
doch nur als Winkelreligion erhielt. Ganz, anders in Aeliiiopien von Syene aufwärts, üa sich dieses seil Trnjan der Herr-
schaft der Imperatoren entzog (vergl. Nikbuhii Inscrijitt. Xitb. Covnneiit. p. 17.), so blüliete hier die väterliche Religion
fort. Zuerst scheint das Chrislentluim durch Handelsverkehr in den Küstenländern von Oberäthiopien (ilabesclO eingedrungen
zu sein, wo es von Axum aus (vornehmlich von -130 an) einen erwünschten Fortgang halle (vergl. Atiiavas. A/iolui/. ad
<'(»isl. 31. 1. 0/jjk V. II. p. 315. ed. Dexku., Ki fix. Hist. Eccl. 1, 1. Sochat. Hütt. Eccl. 1, Ii). Sozomkn. HM. Eccl. II,
-4. Theodoket. HM. Beetes. 1, 23. Ludolf. HM. Aetli. III. a.). Wann das Christenlhum in Nubieii bedeutende Fortschritte
gemacht habe, ist äusserst schwer zu beantworten. RfcVAtröoT HMuria Vatriiirehurum Ates-undrlnorum Jtieobit. Vor.
1713. p. 285 möchte gern annehmen, dass es schon vor Mohamcd Christliche Nubisehe Könige gegeben habe. Allein wie
wenig; er sich für überzeugt hält, kauu man aus den Worten abnehmen p. 284: De Kubiis jam dicta sunt nonnulla, ex qnlb.us
intelligünr, iguorari penitus an olim apud eos praedicatum Kvangelium fnerit ante Aranuih tyrannidem, an vero, postouam
in illoruin potestatem Aegyptus venit, a Jacobiiis Aegypliis mhuiI cum fide Ohrtstlftun haeresin (pioqne didicerinl. Vergl.
1'. 178. 223. 223. Das p. 2S5 angeführte Zeugnis des l'.n vcn., dass die Kubier erst Catholiken und dann Jacobilen waren,
ist gänzlich unsicher. Der Nubisehe König Silco (s. NikbUHK a. a. 0.) z.u Ausgange des vierten oder Anfange des fünften
Jahrhunderts war noch ein Heide.
 
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