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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0133

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Einleitung.

Anblick und ihr blosses Aufzeigen hat für die Wissenschaft kein Interesse. Ein Beispiel möge daher
für alle genügen. Als Jablonski uns im Anfange seiner Untersuchung über Kneph mitgetheilt, das»
die alten Weisen der Aegypter (also nach Jablonski's oben angegebener Grundansicht nicht gar zu
lange nach der Sündfluth) die Lehre von einer ewigen, weisen, mächtigen, die Welt erschaffenden
und regierenden Intelligenz aufgestellt haben, und man begierig ist, die Beweise dafür zu vernehmen,
so fügt er unmittelbar darauf hinzu: Denn es lehrt dieses uns aus der verborgenen Weisheit dieses
Volkes Martian Capella (in Satyrici 1. II. p. 42.). Und darauf kommt Jamblichos und Horapollon.
Wem möchten bei so etwas die Haare nicht zu Berge stehen? Ferner war es bei diesem Systeme
ganz gleichgültig, ob man für eine und dieselbe Sache einen alten oder einen ohne alles Verhältuiss
jüngern Gewährsmann sprechen Hess. So erinnerte uns z. B. Jablonski und nach ihm Herr Seyf-
farth x), «in die Neith als eine Kriegsfreundiu darzustellen, nicht an Piaton, sondern an den in so
entlegener Zeit nachfolgenden Proklos.

Da der Verfasser sich zu diesen toleranten Gesinnungen nicht bekennen kann, so stellt er
als leitenden Grundsatz für seine Bearbeitung das Gesetz auf: Jeder Schriftsteller zeugt nur für
seine Zeit. Nur durch ausdrückliche Berufung auf ein höheres Alter und durch Gewährleistung
seiner Richtigkeit geht er über sie hinaus. Diese an sich nur beziehungsmässige Gültigkeit kann
sich bei Ermangelung ausdrücklicher Zeugnisse für ein höheres Altcrthum nur dann zur muthmass-
lichen Allgemeingültigkeit erheben, wenn zuvörderst ihre Bestimmungen, deren Ursprung über diese
Zeit hinaus liegt, auch durch die Folgezeit hindurch sich in einer gewissen Stetigkeit und Beharr-
lichkeit behaupten. Wir würden hierbei schliessen, dass das, was sich bei einer grössern Beweg-
lichkeit des Aegyptischen Geistes und bei einer stärkern von Aussen her erfolgten Einwirkung auf
diese Beweglichkeit dennoch unbewegt erhielt, sich desto eher in dieser Gleichförmigkeit erhalten
haben wird, als diese Antriebe zur Veränderung nicht Statt fanden. (Dieses Gesetz ist jedoch nur
in Verbindung mit den folgenden und zwar nur positiv, nicht negativ brauchbar.) Ferner dann,
wenn die allgemeinen geschichtlichen Verhältnisse der frühern Zeit, namentlich die Nachweisung
eines strengen Festhaltens und Beharrens bei den einmal fest gesetzten Gebräuchen und Einrich-
tungen, so wie der Mangel einer genügenden Veranlassung zu deren Aufhebung oder Veränderung
die Fortdauer jener Bestimmungen in den verschiedenen Zeiten sehr wahrscheinlich machen. Endlich,
wenn sie mit den Aegyptischen Originaldocumenten einer erweislich frühern Zeit, vorzüglich mit
den Tempel-, Pallast- und Grabsculpturen überein kommen. Aber auch dann, wenn allen diesen
Forderungen genügt ist, wagt der Verfasser, er wiederholt es ausdrücklich, nur eine muthmassliche
Uebereinstimmung und Gleichheit gewisser Haupttheile der Lehre und des heiligen Dienstes anzu-
nehmen. Die Gründe, welche ihm diese Vorsicht auferlegen, werden im Folgenden noch deutlicher
hervortreten.

Das Uebersehen des so eben von uns aufgestellten Grundsatzes musste in der Bearbeitung
der Aegyptischen Religionslehre nothwendig auch seine Folgen tragen. Da man gewissermassen
von dem Grundsatze ausging, dass die ganze Masse der Schriftsteller nur Eine Zeit, oder eine
durch alle Zeiten hindurch sich gleich gebliebene Aegyptische Religion beschrieben habe, so konnte
man folgerecht auch nicht beabsichtigen, in der Aegyptischen Religion selbst Früheres oder Späteres
von einander zu unterscheiden. Dennoch kann darüber nicht der geringste Zweifel obwalten, das»

1) 8. uns. Brich p. 58.
 
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