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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0139

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Einleitung.

85

erfahren, wie sich nach dem Zeugnisse der Aegyptischen Monumente selbst die Aegyptische Mytho-
logie entfaltet zu haben scheine, so müsste man an Ort und Stelle die Sculpturen und Malereien
der sämintlichen Aethiopischen und Aegyptischen Denkmäler, von den ältesten bis zu den jüngsten,
mit Hülfe der hieroglyphischen Entzifferungskunst vergleichen und beobachten, welch ein mytholo-
gischer Zuwachs im Fortgange der Zeit an den einzelnen Monumenten wahrzunehmen sei. Da nun
aus den verschiedenen Zeiten eine Mehrzahl gleichzeitiger Denkmäler vorhanden ist, so müsste ein
vergleichendes Gegeneinanderhalten von Zeit gegen Zeit nothwendig ein positives oder negatives
Ergebniss zu Tage fordern. Natürlich könnten hier nicht einzelne, sondern, wie wir eben bemerk-
ten, nur eine Mehrzahl von Tempeln, die in gewissen Eigenthüinlichkeiten mit einander überein
kämen, zu einem Schlüsse berechtigen. Diese Schlussberechtigung würde aber um so stärker sein,
weil in der Hegel die Aegyptischen Monumente nicht etwa die Bilder nur von diesem oder jenem
Gotte, sondern von einem grossen Theile ihres Pantheons enthielten, wenn auch einige Götter als
gemeinschaftliche Hauptinhaber {jjvwuoi) des Gebäudes vorwalteten. Indem die Aegyptische Re-
ligion den allgemeinen Gesetzen der menschlichen Geistesentwickelung unterworfen war, so sollte
sich mit der grössten Wahrscheinlichkeit ein solch stufenweiser Fortgang von dem Wenigen zu
dem Vielen, von dem Rohen zu dem Ausgebildeten, von dem Einfachen, zu dem Mannichfaltigen
erwarten lassen. Sollte er sich aber auf den ältesten, wie auf den jüngsten Monumenten nicht vor-
finden, nun so hätte man den sprechendsten, unwiderleglichsten Deweis für das ausserordentlich
hohe Alter der Aegyptischen Religionsbildung.

Muss eine dergleichen Untersuchung für die genauere Kenntniss der Aegyptischen Mythologie,
wie uns bedünkt, von der allerhöchsten Wichtigkeit sein, so wird gewiss jeder Leser unsere Ver-
wunderung theilen, dass die letzte von der vorigen Französischen Regierung unter Champollion nacli
Aegypten gesendete wissenschaftliche Unternehmung dieselbe ganz ausser Acht lassen konnte. Denn
in der von Champollion abgefassten und von dem Herzoge von Blacas dem Könige Carl X. überreichten
Abhandlung über den Plan und die Beweggründe zu einer von der Regierung zu veranstaltenden
wissenschaftlichen Reise nach Aegypten geschieht ihrer auch nicht die geringste Erwähnung, was um
so mehr befremdet, da nach Punkt 2. und 11. der Aegyptischen Kunst die von uns für die Mytholo-
gie vermisste Untersuchung zu Theil werden sollte Freilich würde vielleicht Champollion, der bis
dahin bei seiner Bearbeitung der Aegyptischen Mythologie die Unterscheidung eines Frühem und
Spätem und des gegenseitigen Verhältnisses desselben auf das Auffallendste vernachlässigt hatte,
bei Einschlagung dieses Weges eine rühmliche Probe für seine Wahrheitsliebe zu bestehen gehabt
haben, indem es sich hätte treffen können, dass ein Theil seiner bis dahin aufgestellten mytholo-
gischen Ansichten eine grössere oder geringere Umänderung erlitten hätte. Wenn nun Champollion

1) Abhandlung Ober das Vorhaben einer wissenschaftlichen Reise nach Aegypten dem König i^27 überreicht (vor-
gedruckt Ciiami'OUJOnk Briefen über Aegypten und JSubien.)- Von den 20 Punkten lautet der 3. und 11. lolgomlermussiMi
(p. 9. 11.):

2. Bei jedem Tempel die zueignenden Inschriften mit der genauen Zeilangabe der Gründung aufzusuchen, eben so die-
jenigen, welche immer die Epoche angeben, wo die verschiedenen Theile der Zierden ausgeführt wurden. Diess heisst
mit anderen Worten, die wesentlichen Grundbestimmungen der Geschichte und Chronologie der Kunst in Aegypten zu-
sammen zutragen.

11. Alle an den Gebäuden angebrachte Inschriften der Könige mit ihren Abweichungen zn sammeln und genau den Ort
anzugeben, wo man sie lesen kann, um so das relative Alter eines jeden Theiles de« nämlichen Gebäudes und dadurch
den fortschreitenden oder rückschreitenden Stand der Kunst zu bestimmen.
 
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