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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0143

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Einleitung.

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Die Frau schlingt fast stets ihren rechten Arm um den Nacken eines der Männer, wie es scheint, um
das ehlige Verhältniss anzudeuten. Den unteren Gruppen entsprechen vier andere desselben Ge-
maches auf das vollkommenste *). Diese sämmtlichen Figuren sind über alle Beschreibung roh und
plump gearbeitet. Ihre ganze Gestalt ist unförmlich und gedrückt, dem bekannten Charakter Aegyptischer
Zeichnung völlig zuwider. Das Gesicht vermag kaum einen Unterschied des Männlichen und Weib-
lichen anzugeben und enthält auch nicht den geringsten Ausdruck 2). — Wen stellen nun diese
Figuren dar? Was an den mehrsten von ihnen zuerst in die Augen fällt, sind die Abzeichen gött-
licher Würde. Die Frau erscheint mehrmals mit dem Kuhhaupte und der Scheibe, wiederum trägt
sie auf dem Kopfe Kuhhörner und die Scheibe, eine krugartig gestaltete Kopfbedeckung mit zwei
Henkeln, eine längliche Mütze sowohl allein, als mit Kuhhörnern versehen. Alles dieses sind deut-
liche Kennzeichen der Isis. Der 3Iann, welchen sie umschlingt, trägt in der Gruppe zu vier Per-
sonen auf dem Kopfe eine Mütze mit zwei Blättern oder Federn, in der Hand eine lange, dicke, in
eine Gabel auslaufende und oben mit einem viereckigen Aufsatze versehene Stange. Ich halte sie
für eine Ruderstange und für das Original jenes dünnen, in eine Gabel auslaufenden, oben mit dem
Kukuphakopfe gezierten Stabes, welchen in den Aethiopisch-Aegyptischen Monumenten einer ausgebil-
deten Zeit die Götter fast immer in den Händen tragen. In den Gruppen zu je drei führt er jedoch
nie dieses Abzeichen der Gottheit, sondern nur das Zeichen der königlichen Herrschaft, den Krumm-
stabi Die Kopfbedeckung ist hier entweder die obige, oder meistens die längliche Königsmütze.
Sollten wir nun nicht in diesem trauten Gefährten der Isis, da wo er mit der Gottheit Symbole
geschmückt ist, den Osiris erblicken, der mit seinem Ruder den himmlischen SchifTer andeutet, so
wie sich die Aegypter ihre Götter dachten 3)? Allein, wo er den Kruminstab führt, zeigt eine
Hieroglyphenlegende 4) den Vornamen eines Königs Ramses, welchen demnach die Isis hier dieser
Vertraulichkeit würdigt. Der ihm zur Seite stehende Gott ist bald der an den beiden hohen Federn
oder an dem Widderkopfe kenntliche Ainun, bald ein nur mit der Ruderstange bezeichneter Gott.
In der obersten (^hintersten) Gruppe sitzt aber der König mit dem Krummstabe in der Mitte zwischen
Osiris und einem von oben verstümmelten, die dicke Gabel haltenden Gotte.

Ehe wir uns eine weitere Vermuthung über diese Wesen erlauben, werfen wir noch einen Blick
in den benachbarten kleinen Tempel von Calabscheh (Vöhl zu unterscheiden von dem grössern Mo-
numente dieses Namens), welcher dieselbe eigenthümliche Erscheinung wie der von Girscheh dar-
bietet. Auch er gehört zu den ältesten Werken Aethiopisch-Aegyptischcr Kunst. Allein, während

1) Gau 1. 1. XXXI. Die zu vier ist im Sanctuariuin, die zu drei sind zu beiden Seiten des Miltclraumes, alle in den
Felsen gehauen. S. Bl. XXVII.

2) Belzoni Narrative. p. 71. (Man beurtheile sie nach den Kolossen an den Pfeilern des Pronaos, denn unsere Fi-
guren werden nicht näher von Belzoni beschrieben.) We may here see liow tlie seufpture of primitive 8g;es dilfers Crom
'hat of the more modern school. The figure of these colosses indicates, that tlie artist meant to represeut nien; but this is
all: their legs are mere shapeless columns and their bodies out of all Proportion, thetr faecs are as bad as the artist could
make them from the model of an Kthiopian. Vergl. Burckhahdt Traueis. p. 10S. Champom.ion Briefe über Ae</t///ten und
Ntibien il. Brief. P- 101. „Der grosse Saal wird von sechs gewaltigen Pfeilern gelragen, in die man sechs Kolosse ge-
hauen bat, die den merkwürdigen Contrast einer ganz rohen Arbeit neben sehr sauber ausgeführten Bas-Reliefs darbieten."
Doch gebt Champollion auf diesen Contrast nicht weiter ein. Vergl. Gau Nub. Benkm. Bl. XXVIII. XXIX. XXXII.

3) Piaitakch. de Js. et Os. 34. 41. Clement. Alex. Stronwt. V, 7. p. 670. Pohphvb. de Antr. Nymph. 10. rovg <fe
-diyvnrwvs — rov; äai/iova; änavraq ov/ iazarai em areqtov, a).).a jrcti'Tct; im nXoiov, xai top ijfoov xai äjthoq navta*;.
Euseb. I'raep. Ev. III, 3. JoaN. lyd. de Meyiss. IV, 3. 33.

4) Gau Ntibisclie Denkmäler. Bl. XXX, 1. Die Hieroglyphenlegende, welche nur einmal noch unverwischt ist, siehe
weiter asten,

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