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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0436

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382

System der Hieroglyphik

sich trägt. Durch die Verdoppelung eines Vocalzeichens wird wohl zunächst die Verdoppel-
ung des von dein einfachen Zeichen ausgedrückten Lautes dargestellt. Die Verdoppelung ist
ihrer Natur nach eine Verlängerung oder Dehnung des Tones. Gesetzt nun, das einfache \ ha-
be I bedeutet, so würde das wiederholte \\ ein langes, gedehntes I angegeben haben. Allein die
Schreibart Phhdlupos, KCOrmOOnikos; KCeJ>,mOOnlK°Js; KahQa)r(_ojs, Tlb(eJri(oJs,
TUCoJs, TCoJmIlian(o)s, TQQklk(oJs, wo das I durch \\ ausgedrückt wird, zeigt unwider-
leglich, dass M keinesweges ein I im Gegensatze gegen I sein sollte. Wenn daher dieselbe
Verdoppelung das I in BerQeJnlke, Sabina, AntonlnQoJs giebt, so geht hieraus weiter nichts
hervor, als dass die Aegypter in der Schrift keinen Unterschied zwischen I und I machten. Bei
dieser Gleichgültigkeit des I-Lautes wäre es aber kaum zu erklären, warum die Aegypter, wenn \
schon allein das I bei ihnen auszudrücken pflegte, das I in so vielen Fällen nicht durch \, sondern
durch \\ schrieben, oder, was noch befremdender ist, warum die Aegypter in den Griechischen und
Römischen Königslegenden das I überhaupt gar nicht durch \, sondern lediglich durch \\ bezeich-
net zu haben scheinen. Das Befremdende dieser Erscheinung verschwindet aber, so bald man an-
nimmt, dass die Aegypter dem I-Laute als solchem eine grössere Tiefe als ihren übrigen hellen Vo-
calen ertheilten und desshalb durch die Verdoppelung des allgemeinsten ihrer Vocalzeichen \ diesen
tiefern Ton von den helleren ausschieden. Dieser Zweck, mit dem die Schriftausbildung durch den
Grundsatz, von den allgemeinen Vocalzeichen gewisse Laute zu trennen und an besondere Zeichen
zu knüpfen, einen Schritt vorwärts that, erforderte natürlich, dass man vor allem das \ == I dem
Schriftverkehr entzog und dass man, falls \\=l nicht ohne alle Gleichlauter bleiben sollte, einige
andere allgemeine Vocalzeichen entweder ausschliesslich oder vorzugsweise dem Ausdrucke des I
überwies. Die letztere Maassregel scheint man beim ^q^. und ^ genommen zu haben. Aus dem
überwiegendem A-Laute des - ,. jedoch möchte man folgern, dass die Ausscheidung des I erst in
später Zeit erfolgte und ihre völlige Durchführung nicht mehr erlebte, oder dass sie in früher Zeit
begann und dann gewissermaassen auf halbem Wege stehen blieb. Dass aber die Aegypter über-
haupt dem I eine grössere Tiefe als den anderen hellen Vocalen zuerkannten, dafür spricht vielleicht
im Besondern die Schreibart von JZe ov 0/)(jMs und ArQ(ia)i^<s, indem, wenn keine Versetzung für
2eov\\qgund ^ro^(«)v(o)q obwaltet, das Griechische 02 in das Lateinische US übergegangen,
mithin für U=<2 den Vocal des letztern, das I=M

eingetreten wäre und durch seine Annäherung
an Ü gleichsam die Brücke gebildet haben würde, auf welcher die beiden Laute und die beiden
Lautclassen in einander übergingen Im Allgemeinen aber zeugt dafür der Umstand, dass die
Hieroglyphen des I im Vergleiche mit den Gleichlautern der anderen hellen Vocale am wenigsten
beim Schreiben ausfielen, oder mit anderen Worten, dass sie bei dem häufigen Ausfallen der übrigen
hellen Vocale zurückblieben, um als Stützpunkt für die Aussprache zu dienen. '

Diese Beurtheilung kann, wir bemerken es ausdrücklich, zunächst nur für die hieroglyphischen
Vocale der Griechischen und Römischen Königslegenden in Betracht kommen und selbst hier kei-
nen Anspruch auf eine unbedingte Beweiskraft machen, weil sich nicht bestimmen lässt, wie viel
oder wenig die Ansicht über manche Vocalzeichen durch eine erweiterte Kenntniss der hierher

1) Üeber die nahe Verwandtschaft des I nud U in der Lateinischen Sprache s. Schneider Ausführt. Grammat. d-
Latein. Sprache, lste Abth. I. Bd. p. 18. fgg. 33. fgg. Liscovius Ueber die Aussprache det Griechischen p. 14. 15.
 
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