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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0647

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von Champollion.

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einer fremden Sprache, der gewöhnlich eine Kraft auf den Ausdruck jeder Sylbe verwendet, welche
er bei grösserer Geübtheit kaum für ein längeres Wort braucht. Ganz anders die Zeit der geistigen
lleife. Mit dem Reichthume der Begriffe steigt die Raschheit und Beweglichkeit in deren Verkehre.
Mit der Lebendigkeit des Denkens wächst die Schnelligkeit der Rede. Das Wort muss jetzt ein
bequemer zu hundhabendes, ein in den ganzen Redebau leichter einzufügendes Material abgeben.
Allein neben dem beflügeltem Gange des Denkens weckt die höhere Bildung auch den ästheti-
schen Sprachsinn. Man will nicht bloss leicht, sondern auch schön sprechen. Diese Forderung
machte sich besonders in Griechenland und Rom geltend, wo die öffentliche Beredsamkeit das grosse
Triebrad des ganzen socialen Lehens ausmachte. Man musste daher die freie Rede, auch ohne sie
zur streng gebundenen Lautgliederung der Poesie zu erheben, hinsichtlich der Aufeinanderfolge der
Töne, ihres Steigens und Fallens, ihres Beeilens und Anhaltens den allgemeinen Gesetzen des
musicalischen Wohlklanges unterwerfen. Beide Forderungen, die der grössten Beweglichkeit und
die des höchsten Wohllautes wurden erreicht, wenn man den flüchtigsten und indifferentesten Laut
zum Grundtone der Rede erhob und auf dieser neutralen Fläche die Lichter und Schatten so wie
die gesammte Tonfärbung mit weiser Oeconomie anlegte. Dieses flüchtigste und indifferenteste
Sprachelement ward im E, vornehmlich in dessen speeifisch leichtester Potenz, in dem tonlosen
E *), gewonnen. Wegen seines Sitzes im Mitten des Mundes, gleich weit entfernt von dem in
der Nahe des Kehlkopfes gebildeten A und von den im Vordermunde erzeugten I, 0, U kommt
das E bei der mindesten Bewegung der Sprachorgane unwillkührlich zum Vorscheine. Daraus
erklärt es sich, dass in allen Sprachen zur Zeit ihres 31annesalters die frühere Ueberfülle der
Vocale ein an ihre Stelle getretenes mageres E verdünnte, welches, an sich klangloser und unme-
lodischer als die übrigen Vocale, doch durch das nun gewährte freiere Spiel der Gegensätze den
grössern Wohllaut der Rede hegründete. So giebt die Landschaftsmalerei der Gartenkunst die
schönste und grossartigste Ansicht eines Waldes erst dadurch, dass sie dessen Massen aufschnei-
det und durch freie Räume gehoben, dem Auge vorlegt. Von diesem Standpuncte aus mussten die
Römer die allzugrosse Dicke und Häufung der Vocale und Mischlaute unerträglich finden a). Leber

1) Rait Physiologie der Spruche. I, p. 20. „Wenn man das Grau die unentwickelte Indifferenz, zwischen den
drei Farben Gelb, Kolli, niau nennen kann, weil sie in >'"" n°di nicht actuell enthalten, wohl aber potenziell bedingt sind,
so fragt sich, giebt es einen diesem Standpunkt entsprechenden Sprach- oder Vocallaut, und, wenn es ihn giebt, so dürfen
wir nicht anstehen, diesen Laut mit dem Namen des L'rlauts oder Urvocals zu bezeichnen. Dieser Laut wird nicht ein
solcher sein, der dem Sprachbewusstsein zuerst klar geworden ist, denn das erwachende Bewiisstsein, die Reflexion,
manifestirt sich immer zuerst in den Polen, in den mehr in die Sinuc fallenden Extremen, als in der überall unscheinbaren
Indifferenz , wie sie noch in ihrer Uneutwickelung begriffen ist. Da uns also der Weg abgeschnitten ist, zu erfahren, wie
die Sprachgestalteu zuerst zum noch uurellectirteu Bewiisstsein gekommen sind, so müssen wir uns nach einem andern
Mittel umsehen, um jene gesuchte Indifferenz zu entdecken. Ich versuche das Problem durch folgenden Satz zu lösen:
Der Urlaut wird sich gleichsam rückwärts so entdecket], er wird derjenige Laut sein, um den die andern, die ent-
wickelten Vocale bei erlahmender Productionskraft zurücksinken; denn wenn es einen solchen gemeinschaftlichen Rückfall
für die entwickelten Pole giebt, so ist nothweudig in ihm die Indifferenz gefunden. Dieser baut lüsst sich in allen lebenden
Sprachen aufs leichteste nachweisen, ob er gleich fast in keiner einzigen einer genauen Bezeichnung sich zu erfreuen hat, gerade
weil er erst hinterher, beim Abfall der Sprache aus untersinkenden Voealeu entstand und zum Bewiisstsein kam. Ks ist
diess das jetzt am meisten so genannte stumme, vielmehr tonlose e, das sich unter den romanischen Dialekten, besonders
im Französischen, in allen klanglosen Eudsylben aus früherem a, e, i, o entwickelte, und das in der modernen Sprache
freilich nach und nach ein völlig stummes geworden ist. Eben so sind im Deutschen fast alle Endungen die ein früheres
u, e} i, o, u enthielten, als die Eudsylbe aller quantitatschen Geltung verloren, in diess tonlose e. heruntergesHuken. etc.'<

Vi In L'iceros oben angeführter Hesel: nun aspere3 nun caste, nun rustice, nun Muhe, seil presse et aequabiüter
 
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