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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0652

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598

System der Hieroglyphik

junge Inschriften mitten unter einer ganz gewöhnlichen Sprache anerkannte Archaismen aufbewahrt
haben, wie denn unter anderen eine Inschr. aus der letzten Hälfte des 2t. lahrh. nach Chr. (Or.
110. 4358.) SPEPONDIT und IENTBIYS und eine andere aus der zweiten Hälfte des
3t. Iahrhunderts nach Christus ») noch STLITIBVS IVDICANDIS schreibt. Mit Wahrscheinlich-
keit haben wir ferner das E fing, auf den älteren Inschriften da zu vermuthen, wo die classische
Latinität statt seiner ein langes I brauchte, indem ein solches I bei der so sehr abweichenden
Lautoperation erst bei einreissendem grossen Sprachverfalle, nach voraus gegangener Schwächung
des 1 zu I, in E überzugehen pflegt Daher sehen wir in dem von dem Lateinischen weiter
abfallenden Spanischen häufig da ein E, avo das näher stehende Italienische und selbst noch das
Französische das Latein. I und so gar X behauptet haben 2). Diesem Verhältnisse nun entspricht
vollkommen, dass wir im Lateinischen das E für I wie in ploirume, poploe, duomvires, Sucres,
oloes, nvges, hec, que, Uber, macesler, conipromesise entweder fast nur in den ältesten Ueberre-
sten der Sprache antreffen, wo wir dem E einen I-Laut einzuräumen uns für berechtigt hielten,
(obschon auch hier für einzelne Fälle wie z. B. in PAPERIVS für Papirius Schreibfehler unter-
gelaufen sein können), oder in solchen Inschriften, welche wie bei Orelli no. 1121. OVI VIXIT
ANNVS 3) PLVS MENVS (vgl. das Italien, meno, Spanische menor, merios), bei Gruter pii

X) Gmiter p. CCCLXXXI, 3. Oiiklli no. 3043. Dieselbe Inschr. enthält als Nominativ XX XlROS=vigintwir,
welches auf einer »Item Inschrift alle Beachtung verdienen würde, liier aber in seiner Vereinzelung ohne Credit ist und
sich bis auf weitere Beglaubigung gefallen lassen inuss, als Irrthum für XX VIKOft(ttjrc tiiius Ohelli) behandelt zu werden.

2) Vgl. das Latein, inflrmo, Italien, infirmo, aber auch infermo, Französ. ihfirme, Spanisch enfermo; das Lat.
timor, Ital. timore, Franz. Stamm in timide, timore, Span, temor; Lat. vice., vices, Ital. vice, vece, Franz. vice, Span.
vez, veces; Lat. </ui, Ital. cid, das geschwächte che als Neutrum, Franz. qui, Span, que; Lat. vincere, Ital. vincere, Franz.
vaincre, Span, vencer; Lat. tristitia, Ital. tristizia, tristezza, Franz. tristesse] Span, tristeza; Lat. liguum, Ital. Stamm
in litjneo, aber auch legno, Franz. Stamm in ligneux, Span, leüo; Lat lingua, Kai. lingua, Franz. langue, Span, t'engua;
Lat. zingiberi, Ital, zingibo, Franz. gingembre, Span, gengibre; Lat. obedire, Ital. obbedire, Franz. Obe'di'ence; obeir, Span.
obedecer; Lat. perire, Ital. perire, Franz. pe'rir, Span, perecer ; Lat. dicere, Ital. Stamm in dicerio, Franz. dire, Span.
dien-; Lat. in, Ital. in, Franz. en, Span, en; etc. Wie jedoch das Italienische bei infermo, vece etc. gleichsam noch in
flagranti, das Spanische dagegen in der Abwandlung von decir, in inserir verglichen mit envolver, encender u. a. treu
erfunden wird, so hat das Italienische in anderen wie z. B.-in bevere, Lät. bibere, Franz. boire, Span, beber; in meno,
Lat. minus, Franz. moins, Span, menos; in pesce, Lat. piscis, Franz. poisson, vgl. peche, Span, pez; in lelteru, Lat.
Hiera, Franz. lettre, Span, letra; in segno, Lat. Signum, Franz. signe, Span, signo, senal; in selva, Lat. Silva, Span.
selva seinen Abfall gleichfalls schon vollendet.

3) Das auf den Inschriften des dritten und vierten lahrh. nach Chr. öfters vorkommende ANNVS, ANVS wie:
QVI. VISIT. ANVS. XXXIII Giiut. p. MLIX, 4. QVAE VIXIT ANNVS L Gkvt. p. MCXLVHI, 4., QVAE VIXIT ANVS
XLII. Gkut. p. MLI, 1. VIXSIT || ANNVS PLVSMINVS XXXV. Ohf.u.i no. 4924. — wahrscheinlich etwas vor der ange-
gebenen Zeit — Könnte leicht ein durch das V ausgedrücktes I ping-, zu euthallen scheinen, da in der obigen Verbindung
viel häufiger ANN1S als ANNOs zu stehen pflegt. Allein das ERGA C1BKS VMVEKSVS einer Inschrift aus dem 4t. lahrh.
nach Chr. bei Ohklli no. 4380. zeigt deutlich, dass man in diesen Formen den Accusativ vor sich hat, daher sich denn
auch die Schreibart QVAE VIXIT ANNVOS XXXV bei Ohku.i no. 3007. erklärt, welche Richtiges .und Unrichtiges zugleich
setzt. Da die in der Zeit des Sprachverfalles abgefassten Inschriften Ausdrücke der Volkssprache in die Schriftsprache
V.u erheben pflegen und da die Volkssprache oft mit grössfer Zähigkeit Reste einer sehr alten Sprachweise aufbewahrt, so
ist es möglich, dass Ausdrücke, welche viele Iahrhunderte laug in dem~Mnnde des Volks lebten, und einstmals nicht auf
diese niedere Sphäre beschränkt waren, erst durch diese Inschriften zu unsrer Kenntniss gelangen. So scheinen allerdings
ehe Accusative pl. der 2t. Deel, auf tu niit den Griech. auf ovt aus einer gemeinschaftlichen Wurzel entsprossen zu sein.
Dass das Latein. 0 wie das ältere Griechische zugleich einen U-Laut führte, ist uns bekannt. Wie lange sich dieser
U-Laut iu gewissen Sprachformen erhielt, ist nicht zu bestimmen. Ohne Zweifel theilte er ein und dasselbe Schicksal mit
dem I ping., so dass er im Verlaufe der Zeit immer mehr geschwächt und dadurch dem O-Laute näher gebracht wurde.
Ein annos, welches vorher annus lautete, ward demnach mit der Zeit zu einem wirklichen annos mit O-Laute. Die der
Spracbglnttung iu Rom ferner stehenden Laudieute aber und selbst mancher vornehme Römer, wie ein Cotta, mochteu
 
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