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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 140
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0565

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Xo. 140.

Dritter Iahrpana.

Damstag, 27. November 1869.


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o n n t a g s b la t t. — Alle Postanstalten lind Boten nehmen Bestellnngen an. — Preis vierteljährlich 1 st. 1ü kr

lich bis läugjleus Mittags 12 Uhr des
Vorhergehendere Tages aufzugebeu.
Wir bitten höflich 4, hievon Kenntniß
zu nehmen, darnit wir durch verspätete
Aufgabe der Inserate nicht mehr in die
unangenehme Lage verseht werden, von dem
jetzt angenommenen Prineip wieder abweichen
zu müssen. Achtungsvoll
Die Expedition.
* Der erste Bürgerabend
in Schwetzingen,
welcher vorgestern Abend i:n Nebenzimmer des
„Wilden Mann" abgehalten wurde, führte eine
große Zahl Männer aller Berufsklasseu und Stände
zusammen und war es erfreulich zu sehen, mit
welch' reger Theilnahme und Aufmerksamkeit die
Anwesenden dein Jdeeugange der Vortragenden
folgten und wie lebhaft in den kleinern und engern
Cirkeln während der Pausen die angeregten Tages-
fragen besprochen und beurtheilt wurden.
Herr Amtsrichter Diez, als Vorsitzender des
nationalliberalen Bezirksvereins Schwetzingen, be-
grüßte die Anwesenden, worauf Herr Oberamtmann
Richard das Wort ergriff und in einem längern
Vortrage über die neue Gemeiudegesetzgebuug sprach.
Redner warf, ehe er aus die neueste Gemeinde-
gesetzesoorlage überging, einen geschichtlichen Rück-
blick aus die eigentliche Entstehung und Entwicke

lung der Gemeindegesetzgebung, welche er auf das
Jahr 1794 zurückführte, lvo die „Hofrathsinstruc-
tion für die bad. Marrgrasschast" erschien, welche
als erstmalige gesetzliche Regelung des Gemeinde-
wesens gelten durfte. Redittr schilderte die Grund-
züge dieser Gemeindeorduung, welche unter der
Vormundschaft der Regierung stand und nach keiner
Richtung hin einer nennenswertsten Selbstständig-
keit genoß.*)
Erst in den Jahren 1807 — 1809 entwickelte
sich das Gemeindcwesen unter Carl Friedrich
durch die in Folge der Auflösung des deutschen
Reiches und der Errichtung des Rheinbundes ein-
geführten Gesetzgebung.
Während dieser Periode kam der Begriff von
Orts- und blosen Schutzbürgern zur Geltung.
Im klebrigen waren der Gemeindeverwaltung nicht
jene beengenden Kreise des vorhergehenden Zeit-
abschnittes gezogen; die frühere Vormundschaft
verwandelte sich in eine wohlwollende Fürsorge.
Durch das Edict vom 26. Nov. 1809, welches
französische Einflüsse und Anschauungen dictirten
und das aus den berüchtigten Zeiten des Rhein-
bundes datirt, wurde die Gemeindeverwaltung in
in eine Staatsbehörde umgemodelt.
Der Ortsvorgesetzte war jetzt weit mehr als
früher Beamter des Staates, seine Anstellung eine
durchweg lebenslängliche, und er somit von der
Regierung allein abhängig.
Das jetzt auftanchende Centralisationssystem,
welches jede frische Lebensäußerung unterdrückte,
eine Verknöcherung des Gemeindewesens mit sich
führte, Korruption und Denunciationswuth im
Gefolge batte, dauerte bis zum Jahre 1831.

*) Wir reproduzireu aus dem Gedächtniß; sollten irgend-
wie Verstöße gegen geschichtliche Thatsachen mit unterlaufen,
sind wir gerne zur Berichtigung bereit.
Die Red.

Endlich, nach laugen Kämpfen siel mit dem
letzten Tage des Jahres l831 das verrottete Ge-
meindeverwaltungssystem und machte einem frei-
sinnigen Gemeindeaesetze Raum. Das Schutz-
bürgerthum wurde aufgehoben lind rückten dadurch
80,000 Schutzbürger zu Ortsbürgern vor. Gleich-
zeitig wurden" direkte Wahlen eingesübrt und das
Bestüiigungsrecht der Bürgermeister durch die Re-
gierung derart beschränkt, daß letztere nur in sel-
tenen und dann nur triftigen Fällen ihre Verweige-
rung aussprechen tonnte. Die Dauer der Amts-
zeit des Bürgermeisters wurde auf sechs Jahre
herabgesetzt.
Die Ausübung der Ortspolizei wurde der Ge-
meinde zurückgegeben. Der Bürger wurde von
mancher hemmenden Schranke befreit, der Erwerb
und Antritt des Bürgerrechtes, sowie das Recht
der Eheschließung wurden bedeutend erleichtert und
ein frischer Hauch ging durch alle Theile des Ge-
meindewesens.
Näher rückte die Zeit der deutschen Sturm- und
Draugperiode; die Revolution brach aus und die
Folgen derselben sind jedermann genügend bekannt,
um zu wissen, daß die nun folgende rückläufige
Bewegung alles freiheitliche und selbständige öffent-
liche Leben verkümmerte und erstickte.
Nach dem Gesetz vom 25. April 1851 wurde
in allen Gemeinden von über 80 Bürgern der
Große Ausschliß eingeführt, der frühere Wahlmodus
ausgehoben, das Steuerklassensystem kam zur Gel-
tung ; die Amtsdauer der Bürgermeister wurde
auf 9 Jahre erhöht und das Bestätigungsrecht
der Regierung wieder zum unbeschränkten Gesetze
erhoben. Neuerdings wurde die Erwerbung des
Bürgerrechts, sowie das Recht der Eheschließung
wieder erschwert und von lästigen Bedingungen
abhängig gemacht.
Mit dem denkwürdigen Tage des 7. prilA

Eine russische Ehe.
Aus der letzte» Zeit Ser Leibeigenschaft.
Von A. von K.
(Fortsetzung.)
Natalie schwieg. Frau Lacoste umarmte sie zärtlich,
dankte für das ihr geschenkte Vertrauen und versprach, ihr
stets eine treue Freundin zu bleiben.
Beide besprachen noch lange Natalien'S Schicksal und
ihre Verheirathung beunruhigte die gute Lacoste sichtbar.
„Haben Sie denn nie wieder etwas vom jenem Niko-
ai Sokolosf gehört?" srug sie.
„Nie," erwiederte Natalie, „der General hat trotz seiner
Bemühungen nicht einmal entdecken können, in welchem
Regiments er diente, was bei den damaligen Kriegszeitcn
auch gar nicht zu verwundern war."
„Sicher ist er todt, liebe Natalie."
„Es ist möglich," sagte Natalie, „vielleicht aber lebt er
und dann — o schrecklich !... Mein Wohlthäter hatte schon
Recht, daraus zu bestehen, daß ich Rußland verlasse."
„Liebes Kind, der General hat doch nicht fürchten
sonnen, daß jener Bauer — Soldat — Ansprüche auf seine

Rechte macht — und sollte dies je geschehen, nun dann for-
dern Sie eine Sch idung!" —
„In unserer Religion gibt cs keine Scheidung, liebe
Lacoste, wenigstens nicht ohne triftigen Grund, und der
Grund, daß er ungebildeter Soldat geblieben, während ich
vielleicht eine Salondame geworden, gilt bei unserer Kirche
nicht!"
Darauf verfiel Natalie wieder in ihr düsteres Schwei-
gen und die gute Lacoste wußte nicht, wie es anzufangen,
um sie zu erheitern, wortlos saß sie da, die Blicke auf Na-
talie gerichtet. Diese sah es und spach traurig lächelnd:
„Glaubst Du nun, Lacoste, daß mir nicht zu helfen
ist, daß für mich das Glück, zu lieben, die tiefste Stufe des
Elends wäre? ... Ich hoffe aber, Gott wird mich vor
diesem Unglück schützen!" —
Am nächsten Tage erfolgte der angeknndigtc Besuch des
Fürsten Michel Bielski.
Natalie war Anfangs sehr zurückhaltend gegen ihn,
der Fürst bestätigte aber durch sein Benehmen den Aus-
spruch der Frau Lacoste, die ihn für den liebenswürdigsten
Menschen erklärt hatte; es war in der That unmöglich
seiner jugendlich-frohen Lauue, seiner Treuherzigkeit, seinem
sprudelnden Witze zu widerstehen. Der Fürst gehörte zu
jenen Begünstigten, die unbewußt das Gcheimniß besitzen:

die Herzen Aller zu gewinnen und sich in kurzer Zeit unent-
behrlich zu machen. Ohne Zudringlichkeit wußte er eS so
einzurichtm, daß er auch an allen folgenden Tagen mit
den Damen zusammcntraf; bald begleitete er sic auf weitere
Ausflüge, die sie ohne Herrenbegleitung noch nicht hatten
unternehmen können, bald richtete er eine WasserpartM
bald eine Cavalcade in die Berge ein, wo die gute Lacostt
statt eines Reitpferdes einen Tragsessel erhielt. Er hatte
sich in Rathen niedergelassen, schien an fernere Reisen gar
nicht mehr zu denken, kam jeden Morgen mit einem Strauß
frischer Blumen für Natalie und einem fertigen Progcamm
das den Damen immer einen genußreichen Tag sicherte. —
War das Wetter ungünstig, so brachte er Bücher, las Na-
talien aus ihren Lieblingsdichtern vor, oder musicirte mit
ihr; die Etiquette der Gesellschaft wich der Freiheit des
Landlebens und begünstigte eine Annäherung, die sich immer
freundschaftlicher gestaltete.
Bald bemerkte Frau Lacoste eine Veränderung in Na-
taliens ganzem Wesen ... Sie verstel nicht mehr in dies
peinlich-düstere Schweigen und wenn es zuweilen doch noch
geschah, so genügte sein Erscheinen, um jede Wolke augen-
blicklich zu verscheuchen; — sie schien jetzt erst aufzuleben;
die Furcht, zu lieben aber, die sie noch vor wenigen Tagen
ausgesprochen, völlig vergessen zu häset;. (Fortsetzung folgt.)
 
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