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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1871

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Februar (Nr. 14 - 25)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30184#0085

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M'"^er Jahrgang

Samstag, 18. Februar 1871. Fo. 21.


Inits-MerkündigungsölaLt für den Bezirk Schwetzingen.





enzeitung.

Erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstag, Tonnerstag und Samstag. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petiizeile oder deren Raum 3 kr. Lokalanzeigen 2 kr.

Versailles, 8. Febr. Gill großer Theil
der Waffen und Trophäen ist von der in Paris
kriegsgesangenen Armee bereits an den dazu vor-
geschriebenen Orten abgeliefert worden. Das Be-
nehmen der französ. Offiziere, die hiebei betheiligt,,
war ein taktvolles. Die abgelieferlen Waffen be-
finden sich in gutem Zustande; auch eine größere
Anzahl von Feldgeschützen wurden bereits aus-
geliefert.
Der geschäftliche Verkehr zwischen Paris und
der Provinz, zu dem die Lebensmittelzufnhr Ver-
anlassung gibt, hat schon jetzt die Wirkung gehabt,
daß die falschen Gerüchte von der Verwüstung des
Landes durch die deutschen Truppen in den Zei-
tungen ihren Widerruf finden.
So liest man in dem Pariser Journal Le
Soir folgende Erklärung eines franz. Korrespon-
denten : „Wir haben heute Morgen Einwohner
von Loniumean, Arpojon und Palaisean, Orte,
die seit 5 Monaten von Truppentheilen der 3.
deutschen Armee okkupirt sind, gesprochen. Wie
wir gern konstatircn wollen, haben sie uns über
das Verhalten der prcuß. Truppen, die ihre
Häuser besetzt haben, die beruhigendsten Aufschlüsse
gegeben. Alles ist in größter Ordnung zugegangen,
und diejenigen Bewohner, die in ihren Häusern
zurückgeblieben sind, haben von der Anwesenheit
der fremden Armeen in keiner Weise zu leiden
gehabt."
Andere Zeitungen widerrufen die früher ab-
sichtlich von ihnen verbreiteten Nackrichten, nach
welchen in den außerhalb Paris befindlichen Kunst-
sammlungen große Zerstörungen vorgckommen sein
sollen. Die Konservatoren der Schlösser von
Versailles und St. Germain haben Berichte nach!
Paris geschickt, in welchen sie erklären, daß die ihrer
Aufsicht unterstellten Museen von den Kommando's
der deutschen Armeen in jedr Weise in Schutz
genommen worden seien und sich daher in unver-
sehrtem Zustande befänden.
Bevor die ersten Eisenbahnzüge, die Lebens-
mittel nach Paris brachten, in der Stadt eintrafen,
hat die deutsche Heeresverwaltung große Masten
von Proviant, namentlich von Mehl und von
Erdfrüchten, zum Unterhalt der franz. Bevölkerung
hergeden müssen.
Da die ersten aus dem Schienenwege herbei- >
zuführenden Ladungen in der Vorstadt St. Denis
erwartet wurden, so wallfahrteten die letzten Tage
große Massen von Menschen dorthin. Sie sahen
sich jedoch in ihrer Hoffnung, Nahrungsmittel zu
finden, vielfach getäuscht und wandten sich daher
an die preußischen Vorposten mit der Bitte, sie
durchzulasten, um in den nächsten Dörfern Proviant
ciuzukaufen.
Man hätte nach der Konvention, welche den
Aufkauf von Nahrungsmitteln im Bereich der
okkupirten Landestheile verbietet, das Recht gehabt,
sie zurückzuweisen. Da aber für den Bedarf der
deutschen Truppen durch die Magazine in hin-
reichender Weise gesorgt ist, und daher von den
Vorräthen, die in den französ. Ortschaften auf-

gespeichert sind, ein Theil verfügbar bleibt, so er-
laubte man vielen Hunderten von Frauen und
Männern, ihre Einkäufe zu machen.
Am letzten Tage vor der Ankunft des ersten
Fourage-Transports, 4. Febr., stieg die Zahl der >
nach St. Denis hinauswandernden Pariser auf
wenigstens 10,000. Man sah Herren und Damen
der besseren Gesellschaftsklassen, die mit Säcken von
Kartoffeln, Mehl, Gemüse am Arm oder über dem
Rücken den Heimweg autraten.
Die erste größere Waarensendung, die in
Paris cintraf, war die des Londoner Unterstützungs-
vereins, geführt von Oberst Stuart Wortlev und
Hru. George Moore.
Um dem Wunsch der Gerber zu entsprechen,
wurden die Provisionen dieses Londoner Trans-
ports nach demselben Modus vertheilt, der während
der Belagerung im Gebrauch gewesen ist. Zuerst
gleichmäßige Vertheilung der Gesammtmaste auf
die 20 Arrondissements der Stadt und dann
Einzelnvertheilung an die Familien und einzelnen
Personen, unter Vorzeigung der Rationnements-
karteu. durch welche die Empfänger sich bisher
legiümiren mußten.
Fast gleichzeitig mit der englischen Zufuhr
trafen große Massen von Getreide über Versailles,
St. Germain und mit der Nordbahn in Paris
ein. An den Stellen, wo die Maaren abgeladen
wurden, fanden starke Zusammenläuse statt, die
aber in Ruhe verliefen. Der Nordbahnhof und
der Bahnhof von Orleans sind die Hauptdepots.
Der große Markt in den Halls« esnkrals«
hat gestern zum ersten Male wieder gehalten werden
können. Das Gitter, welches die großen Eisen-
! gewölbe umgibt, war schon um 4 Uhr Morgens
vom Publikum umlagert, das auch hier aus allen
Gesellschaftsklassen bestand.
Die Preise blieben noch ziemlich hoch; für
Butter bezahlte man 4 Frcs. 50 Cent, auf das
Pfund, für ein Dutzend Eier bis 4 und 5 Frcs.
für Kartoffeln 1 Fr. das Pfd.
Das Gouvernement stellt für heute die An-
kunft von 6 großen Proviautzügen, jeden durch-
schnittlich von 40 Waggons, in Aussicht; im
Ganzen werden dann bis jetzt, nach offizieller An-
gabe. 14 Züge, bestehend aus 538 Waggons, in
Paris angelangt sein.
Daß für viele Tausende m Paris der Noth-
stand doch noch immer nicht gänzlich beseitigt ist,
lehrt der Augenschein.
An den 4 Seine-Uebergängen, die dem Ver-
kehr mit der Stadt sreigegeben sind, bei Sevres,
St. Cloud, Asnieres, Neuilly drängen sich noch
immer große Schaaren von Hülfsbedürftigen und
wenden sich an die Mildherzigkeit der deutschen
Soldaten, die ihnen auch im reichsten Maße zu
Theil wird. Nur bisweilen, wenn das Vordrängen
auf die Brücken hinauf, zur Erreichung des dies-
seitigen Ufers, zu massenhaft wird, müssen die
preuß. Wachtposten die Menge zurückweisen.

Zur Hagesgeschichte.
Berlin, 14. Febr. Die Kreuzz. hört: von
750 franz. Abgeordneten sind gut monarchisch,
^aum ^3 republikanisch. Auch die Kaiserpartei
hat eine schwere Niederlage erlitten. Die Ent-
scheidung schwanke zwischen den Bourbons' und
Orleans.
Bordeaux, 12. Febr. Mit Changarnier
traf der Prinz v. Joiuville ein.
General Clement Thomas hat seine Entlassung
eingereicht.
Rochefort und Delescluze treffen morgen ein.
Bordeaux ist ruhig, trotz der Ueberbevölkerung.
Thiers übt den größten - politischen Einfluß
in allen Kreisen aus.
Bordeaux, 13. Febr. Die Nationalver-
sammlung wurde heute eröffnet. Der Präsident
verliest ein Schreiben Garibaldi's, mittheilend,
daß er auf ein Mandat, welches ihm von ver-
schiedenen Departements angetragen sei, verzichte.
I. Favre erklärt Namens seiner Kollegen in Pa-
ris und Bordeaux, daß er die Regierungsgewait
in die Hände der Volksvertretung niederlege. I.
Favre sagt: Wir hoffen, das Land, durch Unglück
belehrt, werde gelernt haben, seine Klagen zurück-
zudrängen und die Bedingungen für eine normale
Existenz wiederznfinden. Wir treten nunmehr
willig zurück, überlassen Alles Ihrer Entscheidung
und erwarten mit Vertrauen die Bildung einer
neuen gesetzmäßigen Gewalt. Favre kündigt an,
daß die Minister, um den Gesetzen Achtung zu
verschaffen, so lange aus ihrei- Posten verbleiben,
bis die neue Regierung gebildet sei; Favre erbittet
sich Erlaubuiß, auf seinen Posten in Paris zurück-
zukchren, um eine schwierige und heikle Aufgabe
zu erfüllen; die Verlängerung des Waffenstill-
standes sei wahrscheinlich nothwendig. Garibaldi
legte das Kommando der Vogesenarmee nieder, da
seine Mission beendigt sei. Die Regierung ant-
wortete, seine Entlassung annehmend, mit Dank
im Namen des Landes.
Brmssel, 14. Febr. In diplomatischen
Krisen verlautet: Das vom britischen Kabinet ge-
stellte Ansuchen auf Mittheilnng der deutscherseits
in Aussicht genommenen Friedensbedingungen für
Frankreich ist deutscherseits unter Bezugnahme auf
frühere diplomatische Aeußernngen in dieser An-
gelegenheit ablehnend beantwortet.
London, 14. Fear. Unterhaus. Auf eine
Interpellation Smiths erwiedert Enfield: Bismarck
werde, wie versprochen, für die in der Seine ver-
senkten engl. Schiffe Entschädigung leisten, sobald
die Feststellung der Thatsachen erledigt. — Ober-
haus. Ans eine Interpellation Cairns erwiedert
Granville: eine amerikanisch engl. Kommission
werde sämmtliche schwebenden Streitfragen erörtern,
damit durch ihr Engagement ein Schlußvertrag
 
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