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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1871

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Februar (Nr. 14 - 25)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30184#0097

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Xo. 24.

Fünfter rgang.

Samstag, 25. Februar 1871.


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Vom Landtage.
Karlsruhe, 19. Dez Heute kamen die
Verfassungsverträge und die Militärconvention in
der I. Kammer zur Verhandlung. Als Bericht-
erstatter über die ersteren sungirte Hr. Geh. Rath,
Bluntschli. !
Derselbe schilderte zunächst den eigentlichen !
Hauplfaclor der jetzigen staatlichen Einigung Deutsch- ^
lands, die großartige und emmüthige Erhebung j
dieses Jahres, das überwältigende Feuer dieses l
ihatkrästigen Patriotismus, welches die spröden^
Elemente des süddeutschen Particularismus zum!
Schmelzen gebracht habe. - !
Er erinnerte daun daran, wie in Baden auch
die I. Kammer seit Jahren zum Eintritt in den
Norddeutschen Bund entschloßen war, und es er-
gab sich von diesem Standpunkte aus von selbst,
daß er die Verfassung dieses Bundes als eine von
der Kammer gewissermaßen bereits gntgeheißene
Grundlage betrachtete, so daß er sich in seinen
gegenwärtigen Ausführungen daraus beschränken
konnte, dieselbe in ihren Wirkungen kurz zu be-
leuchten und dann die durch die Versailler Ab-
machungen an derselben vorgenommeuen Modisi-
catioueu und Verbesserungen zu würdigen.
Als Wirkungen derselben führte er an:
das Gefühl einer lebendigen großen Volksgemein-
schaft, die Sicherheit, daß alle die reichen Kräfte
unserer Nation zur vollen Entfaltung gelangen.!
würden, das gemeinsame Reichsbürgerrecht, die!
Einheit der Vertretung nach außen und der mili-l
täuschen Führung, Ne Heranziehung der Kraft von!
ganz Deutschland zur Schaffung einer starken!
Kriegsmarine, ferner die Gemeinschaft der Für-
sorge für die großen wirthschaftlichen Interessen,
die Rechisgemeinschafi in den wichtigsten Dingen.
Und an der Leitung aller dieser Dinge erhalte
jeder einzelne Bundesstaat den ihm gebührenden
Antheil durch die Vertretung im Reichstage und
im Bundesrathe, sowie auch allen deutschen Staats-
bürgern der Zugang zu den Reichsämtern offen-
stehen werde.
Dies die Wirkungen, welche der Nation im
Allgemeinen durch die Bundesverfassung zugute
kommen.
Anders freilich seien die Wirkungen auf die
Verhältnisse der Einzelstaaten, indem dieselben
allerdings einen sehr wesentlichen Theil ihrer bis-
herigen Competenz an das Reich werden abtreien
müssen; doch führte Redner näher aus, welch*
reiches Feld ihnen auch für die Zukunft noch für
eine segensreiche Thätigkeit bleibe
Bei dieser Gelegenheit sprach Redner im Auf-
träge der Commission den Wunsch einer erheblichen
Vereinfachung der badischen Staatsverwaltung
und einer gründlichen Revision der Landesver-
fassung aus,-wie er bekanntlich auch in der 2.
Kammer zu Prolokoll gegeben ist.
In der Beurtheilnng der Modificationen der
Bundesverfassung nahm natürlich wieder der Ver-
trag mit Baiern die erste Stelle ein. Redner

meinte, daß mau bei einem Laude von nahezu 5
Mill. Einwohnern einem „erhöhten Staatsgefühle"
eine gewisse Berechtigung nicht absprechen könne,
aber jene drei osiberegten Vorbehalte, der aus
Baiern, Sachsen und Württemberg gebildete Aus-
schuß für Auswärtige Angelegenheiten, die Be-
stimmungen über das Verhältniß der bairischen
Diplomatie zur Reichstüplomaüe und das Erfor-
dernis; von nur 14 Stimmen des Buudesraths,
um jede Aenderung der Reichsversassuug zu ver-
hindern, fand auch er das berechtigte Maß in be-
denklichem Grade überschreitend. Lediglich das
Vertrauen aus die natürliche Macht der Dinge
könne über die hier auftaucheudeu Besorgnisse hiu--
weghelsen.
Unter den Verbesserungen begrüßte Redner
namentlich die Ausdehnung der Bnndescompetenz
aus die Presse, und zwar besonders deshalb, weil
damit der Anfang gemacht werde, auch die geisti-
gen, nicht bloß die materiellen Interessen der Na-
tion zur Reichsangelegenbeit zu machen.
Sehr großes Gewicht legte er ferner aut die
Einführungen der Bezeichnungen „Deutsches Reich"
und „Deutscher Kaiser", wobei er namentlich den
Gegensatz des „deutsch" zu dem früheren „römisch"
betonte.
Die Kaiserwürde werde zur Festigung des
neuen Deutschlands sehr viel beitragen, wegen
ihres Ansehens in den Augen der Fürsten sowohl,
wie des Volkes und ganz besonders auch des
Auslandes.
Im Namen der Commission empfahl der
Berichterstatter die Annahme der Verträge.
In der nun sollenden Debatte wurden von
der Regierung im Wesentlichen dieselben Erklä-
rungen gegeben, wie bei der entsprechenden Ver-
handlung der II. Kammer.
Mit unumwundener Zustimmung begrüßte
Staatsrath Weitzel das Vertragswert, dessen An-
nahme er empfahl, weil es, im Gegensatz zu frü-
heren Eiuiguugsversucheu, aus durchaus legaler
Grundlage beruhe. Er wies daraus hin, wie
Deutschland sich heute in durchaus freier Sebst-
besiimmung, ohne alle Einmischung von außen
coustituire, und mahnte au die Pflicht, dem heim-
kehrendeu deutschen Heere als besten Dank für
seine tapferen Thnten das neue Reich entgegen-
zubringen.
Mit warmen Worten sprachen ihre Zustimmung
auch die HH. Geh. Rath Herrmann und von
Hillern ans; doch sah der Letztere in dem bis
jetzt Erreichten nur eine Abschlagszahlung au das
Einheitsbedürsuiß, und der Erstere verhehlte nicht
seine schweren Bedenken über die Verminderung
des Einflusses Preußens im Bundesrathe, welche
durch die künftige Vermehrung der Gesammtzahl
der Vuudesrathsstimmeu von 43 auf 58 herbei-
gesührt wird.
In anderer Weise, mit mancherlei demokrati-
sireudeu Abschweifungen und Seitenhieben, mo!i-
virte Gras Berlichiugeu sein zustimmeiwes Votum.
Nachdem der Südbund, welchen er früher er-
strebt, au allgemeiner Theiluahmlosigkeit gescheitert,

so erklärte er nunmehr den Einheitsstaat für sein
Programm und wünschte je eher je lieber die
Annexion Badens an Preußen.
Umgekehrt, ans Widerstreben gegen den Ein-
l heitsstaat, den er in den vorliegenden Verträgen
angebahnt glaubt, erklärte Frhr. v. Gemmingen,
daß er gegen dieselben stimmen werde.
Im gleichen Sinne erklärte sich Graf Lei-
niugen, doch ries er. inmitten des erhobenen Ernstes
der Debatte einen peinlichen Zwischenfall bervor,
indem er erklärte, man werde ihn in Zukunft
keineswegs für einen Particularisten halten dürfen,
da er sich nicht für die Ansrechthallung einer
Dynastie bemühen werde, welche sich ni fähig er-
wiesen. ihre Selbstständigkeit zu behaupten. Von
Seiten der Regierungs-Bank trug ihm diese
Aeußeruug die energischste Zurückweisung, von
Seiten des Präsidenten den Ordnungsruf ein.
Die Verfaffuugsve'träge wurden schließlich mit
allen gegen die Stimmen des Grasen Leitungen
und des Frhr v. Gemmingeu angenommen. Des-
gleichen die Militärconvenkion. nach der Berichter-
stattung des Gkuerallieuteuan! Waag.

Zur Tagesgeschichte.
Berlin, 22. Febr. Preußen hält das
Prinzip der Nichtintervention ausrecht. DerFrie-
deusvertrag wird keine Snpulanon enthalten,
die wegen der Schweiz öder Luxemburg europäi-
sche Intervention jetzt oder nach Abschluß veran-
lassen könnte. Die Times.lachricht, Rußland sei
von freier Verfügung der Türkei über die Meer-
engeeinsahrt ausgeschlossen, ist falsch.
Berlin, 22. Febr. Die „Provinzialcorr."
sag! : „Die deutsche Reichsregierung hat die For-
derungen. welche sie im Interesse einer gerechten
Entschädigung Deutschlands, sowie der zukünftigen
Sicherheit stellen muß, so bestimmt ans das Maß
des Unerläßlichen beschränkt, daß es für die fran-
zösischen Unterhändler in der Hauptsache sich nur
um einen raschen, festen Entschluß handeln kann.
Nur falls bei Ablauf des Waffenstillstandes die
! Forderungen Deutschlands im wesentlichen bereits
angenommen sind, wird möglicherweise eine noch-
malige Frist von einigen Tagen zum definitiven
Abschluß gewährt.
Die Regierung hat in der Zuversicht aus
das Gelingen der Friedensverhandlungen Ver-
treter der süddeutschen Regierungen zugezogen.
Die nächste Woche wird, wenn die bisherigen Än-
z-ichen nicht trügen, die Grundlagen des "wieder-
hergestellten Friedens bringen."
Bremen, 21. Febr. Dem Senate ist die
amtliche Mittheiluug zugegangen, daß die bisher
gerangenen 70 deutschen Schiffscapitäne in Orleans
eingetrvffen seien. Dieselben setzen ihre Reise
nach Deutschland unverzüglich fort.
 
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